„Es gibt zu wenige potenzielle Mütter“

Auch in NRW bleibt der Nachwuchs weiter aus, sagt Kerstin Ströker, Referentin im Statistischen Landesamt NRW.

taz: Frau Ströker, wie verlässlich sind Prognosen über demografische Veränderungen?

Kerstin Ströker: In der Regel sind unsere Vorausberechnungen treffend. Im Durchschnitt weichen sie auf Landesebene um 0,1 bis 0,5 Prozent vom realen Entwicklungsverlauf ab.

Wie gehen Sie dabei vor?

Wir setzen die Komponentenmethode ein: Eine Ausgangsbevölkerung wird nach Alter und Geschlecht jahrgangsweise fortgeschrieben, indem Gestorbene und Fortgezogene abgezogen und Geborene und Hinzugezogene hinzugezählt werden. Wir berücksichtigen dabei Annahmen über die künftige Entwicklung der Geburten, Sterbefälle und Wanderungen.

Das geht ohne Probleme?

Bevölkerungswanderungen sind am schwierigsten einzuschätzen. Es gibt Binnenwanderung – innerhalb der BRD – und Außenwanderung – Ströme aus dem Ausland. Politische Veränderungen wie Kriege und Asylströme lassen sich nicht voraussagen. Wir errechnen die Entwicklung erst auf der Ebene der Städte und Kreise. Diese Ergebnisse werden dann auf die Regierungsbezirke und Landesebene hochgerechnet. Vorausberechnungen sind natürlich für eine Stadt unsicherer als für ein ganzes Land.

Erwarten Sie Nachwuchs aus dem Ausland?

Aufgrund des neuen Zuwanderungsgesetzes wird der Zuzug von Kindern und Jugendlichen zurückgehen. Der Trend geht dazu, ohne die Familie auszusiedeln, das heißt zur Arbeitsplatzwanderung. Die Kinder fallen also weg. Die Zuwanderung wird bis 2010 rückläufig sein.

Wie entwickelt sich die vorhandene Bevölkerung in NRW?

Es gibt generell einen Bevölkerungsschwund. Die Geburtenrate ist fallend und daran wird sich erst einmal nichts ändern. Gleichzeitig steigt die Lebenserwartung an. 2050 wird eine Frau im Schnitt 86 Jahre alt und ein Mann 81,5.

Wie erklären Sie sich die niedrige Geburtenrate?

Die Anzahl der potenziellen Mütter geht zurück. Die Kinderzahl pro Frau schwankt zwischen 1,3 und 1,4. Das ist seit Anfang der 70er Jahre schon so; seit dem Pillenknick.

Der Pillenknick wirkt heute immer noch?

Nach der Einführung der Pille gab es einen rapiden Geburtenrückgang. Deswegen haben wir heute zu wenige mögliche Mütter. Diese müssten jeweils drei oder vier Kinder kriegen, um die fehlenden Mütter zu kompensieren. Und das ist sehr unwahrscheinlich.

INTERVIEW: N. EL MOUSSAOUI