Brahimi entschuldigt sich beim Volk

SYRIEN Nach dem Scheitern der Genfer Konferenz drohen Hunger- und Kältetod in belagerten Orten und eine militärische Eskalation. Regierung Assad geht gegen führende Mitglieder der Opposition vor

GENF taz | Nach dem vorläufigen Scheitern der Genfer Syrienkonferenz und der Bemühungen um eine Verbesserung der humanitären Lage in dem Land droht Tausenden Menschen in den eingeschlossenen Städten Syriens demnächst der Hunger-und Kältetod. Nach Angaben der UN-Nothilfekoordinatorin, Valerie Amos, sind rund 250.000 Menschen in – zumeist von Regierungstruppen – belagerten Städten dringend auf humanitäre Überlebenshilfe angewiesen.

Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte in Genf warnte vor einem offenbar bevorstehenden Großangriff der Regierungstruppen auf die Stadt Jabrud, in der bis zu 50.000 Zivilisten ausharren. Nach tagelangem Beschuss durch Luftwaffe und Artillerie ziehe die Armee starke Kräfte um die nahe der Grenze zum Libanon und etwa 80 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Damaskus gelegene Stadt.

Nach sechs ergebnislosen Verhandlungstagen hatten sich die Genfer Delegationen von Regierung und Opposition am Samstagmittag ohne Einigung auf eine Fortsetzung der Konferenz getrennt. „Es tut mir sehr leid und ich entschuldige mich beim syrischen Volk“, erklärte der sichtlich frustrierte UNO-Vermittler Lakhdar Brahimi. Bei den 15 Verhandlungstagen seit Eröffnung der Konferenz am 22. Januar kommunizierten die Delegationen ausschließlich indirekt über Brahimi miteinander. Sie konnten sich noch nicht einmal auf eine Tagesordnung einigen.

Brahimi hatte zuletzt vorgeschlagen, bei einer künftigen Verhandlungsrunde im täglichen Wechsel zuerst über das von der Regierung bevorzugte Thema „Bekämpfung von Terrorismus“ und danach über die für die Opposition prioritäre Frage der Bildung einer Übergangsregierung zu verhandeln. „Leider hat die Regierung diesen Vorschlag abgelehnt“, erklärte Brahimi. Das werfe den Verdacht auf, dass die Regierung nicht an einer Diskussion über eine Übergangsregierung interessiert sei.

Zuvor war der UNO-Vermittler mit seinem Bemühen gescheitert, die beiden Initiatoren der Genfer Konferenz, Russland und die USA, zu mehr Druck auf die syrischen Konfliktparteien zu bewegen. Dass Moskau und Washington dazu weiterhin nicht bereits sind, offenbarte ein Treffen Brahimis mit den stellvertretenden Außenministern der beiden Großmächte, Gennadi Gatilow und Wendy Sherman, am Donnerstagnachmittag. Die beiden Vizeaußenminister bekräftigten lediglich die jeweilige Unterstützung ihrer Regierungen für die Verhandlungsposition des Assad-Regimes beziehungsweise der Opposition. Zudem stritten Gatilow und Sherman über die gegensätzlichen Entwürfe für eine neue Syrienresolution des Sicherheitsrates.

Wie unterdessen bekannt wurde, setzte die Regierung Assad führende Mitglieder der Opposition und ihrer Genfer Verhandlungsdelegation auf eine Terrorliste. Das Justizministerium in Damaskus habe auch angeordnet, dass ihr Besitz konfisziert werde, erklärten die beiden Genfer Delegationsmitglieder Haitham al-Maleh und Ahmed Ramadan der Nachrichtenagentur AP.

Der Verhandlungsführer der Regierungdelegation, Syriens UN-Botschafter Baschar Dschaafari, bestätigte die Angaben der beiden Oppositionellen, bestritt aber jeglichen Zusammenhang mit der Syrienkonferenz : „Diese Entscheidung hat die Regierung bereits zwei Monate vor den Genfer Verhandlungen getroffen. Das hat gar nichts mit den Treffen in Genf zu tun.“

ANDREAS ZUMACH

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