Unkraut vergeht nicht

In Lichtenberg entsteht ein interkultureller Garten. Die Grundsteinlegung für ein Gemeinschaftshaus nutzen Rechtsextreme, um gegen Fremde zu hetzen. Ihre Demagogie spaltet die AnwohnerInnen

VON WALTRAUD SCHWAB

Braungebrannt sind die meisten der etwa zwei Dutzend aufgebrachten Lichtenberger, die endlich ein Fanal für ihren Zorn haben: den interkulturellen Garten, der auf dem Gelände zweier stillgelegter Doppelkitas entstehen soll. 13.000 Quadratmeter groß ist das Gelände. Ein Spielplatz ist drauf, wilde Bäume, ungezähmtes Grün. Dazu gibt es Berliner Sand, dort, wo die Kitas früher standen.

Gestern nun war die Grundsteinlegung für ein kleines Gemeinschaftshaus auf dem Areal. In Lehmbauweise wird es erstellt. Der Verein Baufachfrauen, spezialisiert auf dieses traditionelle, nun aber wieder modern werdende Bauverfahren, wird es zusammen mit den Nutzerinnen des interkulturellen Gartens bauen. Sanitäranlagen wird es in dem nur 36 Quadratmeter großen Haus geben und einen Raum, um sich zu treffen, wenn es im interkulturellen Garten mal regnet.

„Interkulturell“ ist das Reizwort für die Protestierenden. Die zornigen Lichtenberger, die sich zu einer Kundgebung anlässlich der Grundsteinlegung versammelten, verstehen es als Bedrohung. „Ich weiß, wie das hier aussehen wird“, sagt einer. Wie? „Die lassen ihren Müll rumliegen und machen jeden Tag Lärm bis in die Nacht. Die halten sich an keine Regeln.“ Woher er es weiß? Wen er meint? Die Ausländer. Kreuzberg. Die Russen. Kein Klischee lässt er aus. Die anderen Protestierer stimmen ein.

Manuela Tönhardt von der NPD, die in die Bezirksverordnetenversammlung gewählt werden will, hat die Steilvorlage für den Protest gegeben. „Was Sie erwartet: Lärm, Unrat, multikulturelle Auseinandersetzungen (Neukölln lässt grüßen)“ steht in einem Flugblatt, mit dem sie zum Protest aufrief.

So kam es, dass der Riss durch die Lichtenberger Anwohner und Anwohnerinnen entlang des Zauns um das zukünftige Gartengelände sichtbar wurde. Draußen standen die Aufgehetzten, drinnen die LichtenbergerInnen aus den umliegenen Elfgeschossern, die Lust auf das Experiment haben, ein Stückchen Berliner Boden zu beackern, egal ob das nebenan einer Vietnamesin oder einem alten Donauschwaben gehört. Auch Leute, die nicht gärtnern wollen, können sich auf den Freiflächen des Gartens aufhalten.

„Der Protest der Anwohner und Anwohnerinnen richtet sich gegen die Leute, die hier wohnen“, sagt Franziska Eichstädt-Bohlig, Spitzenkandidatin der Grünen für die Abgeordnetenhauswahl. Sie kam, wie etliche andere PolitikerInnen, zur Grundsteinlegung, nachdem sich herumgesprochen hatte, dass die NPD den Protest schürt.

Die Lichtenberger Bürgermeisterin Christina Emmrich verwies darauf, dass die NPD bewusst solche interkulturellen Projekte nutzt, um ihre Ideologie unter die Leute zu tragen. Sie forderte die Lichtenberger hinterm Zaun auf, rüberzukommen. Einige taten es gar und standen plötzlich verloren herum. Michael Heinisch vom Verein „Sozialdiakonische Jugendarbeit Lichtenberg“, einem der Träger des Projekts, machte allerdings sehr deutlich, dass Leute, die eine Ideologie der Ungleichheit vertreten und die Menschenrechte nicht achten, „bei uns nicht willkommen sind“.