AM ENDE DER STADT
: Carpe diem

Unwillkürlich dachten wir an Duisburg, an die Loveparade

„Willst du Brandenburg kennenlernen?“, fragte ich Heiner. Noch bevor er antworten konnte, versprach ich ihm eine grandiose Südroute. Er nickte zögerlich. Die erste Etappe, sagte ich zu ihm, nachdem wir losmarschiert waren, möchte ich „Glamour“ taufen: die Friedrichstraße mit ihren Flagshipstores. Aber irgendwann merkte auch Heiner, dass die Häuser immer weniger prunkvoll wurden. Ich sagte, ab hier heißt es „Passagenriten“ und wir rollten den Kreuzberger Teil runter, um am Platz der Luftbrücke aufzuschlagen. „Nun sind wir in der ‚Vorstadt‘“, sagte ich.

Wir warfen uns in eine halbrund abgehende Straße, da waren plötzlich frei stehende Häuser, Gärten und Gartenzwerge. Anwesen wie Bauernhöfe, sagte Heiner, der ursprünglich von irgendwo vom Land kommt. Wir mussten durch einen klaustrophobischen Tunnel hindurch und dachten unwillkürlich an Duisburg, die Love Parade, das Ende der Welt.

Unter der Stadtautobahn glimmten gelben Lichter und plötzlich, ich hatte Heiner gerade die erste Staffel von „Lost“ nacherzählt, ertönte ein inständiges Klingeln von hinten, was mich fast in Ohnmacht gejagt hätte. Ein Radfahrer nur, aber zusammen mit den Geräuschen der Lkw, die pfeifend und grummelnd wie das Monster der Mystery-Serie an uns vorbeirauschten, taten ihr Übriges.

Unsere Füße schmerzten wie nie zuvor, expressionistische Bauten in Alt-Tempelhof, die Kirche von Lankwitz, am auf Darmangelegenheiten spezialisierten Krankenhaus vorbei, schlugen uns durch einen Birkenwald, stapften weiter gen Süden. Hier war mal der Todesstreifen, gab ich zu bedenken.

Die Trampelpfade führten uns endlich aufs offene Feld. Links und rechts der zementierte Mauerweg, vor uns wogen die Maisstauden. Heiner sagte: „Lass uns in ein paar Wochen wiederkommen, dann sind sie reif!“ TIMO BERGER