Eine halbe Stunde Morgengebet

Der Architekturpavillon der TU Braunschweig zeigt mit „Behind the Walls“ – Fotos aus dem Iran von Maryam Mohammadi und Klemens Ortmeyer. Sie beobachtet Frauen in öffentlichen Räumen, er versucht, Architektur zu lesen

Die Ausstellungseröffnung war ungewöhnlich: Sämtliche Bilder im Architekturpavillon der TU Braunschweig waren mit persischen Stoffen in feinen Paisleymustern verhängt – Hinweis auch auf das subtile orientalische System des Ver- und Enthüllens. In einer Tanzperformance wurden die Fotografien dann schrittweise freigelegt, bis 50 großformatige Fotoprints und -drucke zum Vorschein kamen. Sie stammen vom Architekturfotografen Klemens Ortmeyer und von der jungen iranischen Fotografin Maryam Mohammadi, die, in individueller und auch gemeinsamer Autorschaft, einen Blick hinter die Mauern werfen.

Maryam Mohammadi, seit zehn Jahren in Teheran als Theaterfotografin tätig, geht in ihren eigenen freien Projekten einen riskanten Weg. Keines der Bilder dürfte im Iran öffentlich ausgestellt werden. Sie fotografiert, verbotenerweise, Frauen während einer religiösen Zeremonie, oder bittet eine Freundin zu sich ins Studio, um ihren entblößten Körper inmitten mehrerer Kreise aus Tierschädeln zu inszenieren. „The Fashion of Violence“ heißt bezeichnenderweise diese Serie. Sie entstand ab 2002 und wird von Mohammadi als Dokumentation der Verstrickung nicht nur der iranischen Frauen in Gewalt und Religion verstanden. „Als Künstlerin wird mich das Thema weiter beschäftigen“, so Mohammadi.

Klemens Ortmeyer und Maryam Mohammadi begegneten sich im September 2005 im Rahmen einer Sommerakademie an der Universität Yazd. Organisiert von der österreichischen Kulturorganisation X-Change, war Ortmeyer der einzige deutsche Fotograf in einer internationalen Dozentengruppe. Mit seiner Plattenkamera wies er Studierende der Architekturfakultät in die Grundlagen der Großformatfotografie ein. Der Architekturdarstellung entlehnt, fertigten sie Bildfolgen als „Schnitte“ in regelmäßigem Abstand im engen Gewirr der traditionellen Gassen, der schnelleren Kontrolle wegen auf schwarz-weißem Polaroid-Material aufgenommen.

Zusammen unternahmen Mohammadi und Ortmeyer mehrere fotografische Spaziergänge durch Yazd, die sie zu individuellen Serien und einer Gemeinschaftsarbeit verdichteten. Ortmeyer, ganz der Architekturfotograf, richtet in seinem persönlichen Beitrag „Time of Praying“ die Plattenkamera in einem für ihn ungewohnten Arbeitstempo und Perfektionsverzicht während der halben Stunde des Morgen- und Abendgebetes in menschenleere Gassen, wobei häufig ein charakteristischer Windturm als baulicher Höhepunkt in der Perspektive dient.

Auch Mohammadi bleibt ihrem Thema treu und konzentriert sich in der Reihe „City of Sun“ mit der digitalen Kleinbildkamera auf Frauen im öffentlichen Raum. In der gemeinsamen Bildfolge „Behind the Walls“ verweben sich dann die Urheberschaft sowie Sichtweisen und Themen. Und es geht in Innenräume – in einen Hotelflur, den Hof eines Teppichfärbers oder einen zoroastrischen Feuertempel vor einem Gahanbar-Fest. Ein buntes Durcheinander beherrscht die Bildszenen, alles wirkt flüchtig, das Leben wie der Tod.

Bemerkenswert finden Mohammadi und Ortmeyer die bisherigen Reaktionen auf ihre Fotografien. „Deutsche finden einen unmittelbaren Zugang zu meinen Themen“ sagt Maryam Mohammadi. Iranische Besucher interessieren sich für die aktuellen Architekturdokumentationen von Klemens Ortmeyer, mit der er sein zehnjähriges Jubiläum als Architekturfotograf begeht.

Im Verlag „Fotohof“, Salzburg erscheint zum Herbst der Bildband X-Change mit den Beiträgen der Sommerakademie in Yazd, in dem auch das Projekt „Behind the Walls“ dokumentiert ist.

Bettina Maria Brosowsky

„Behind the Walls“, TU Braunschweig, Architekturpavillon; werktags 9 bis 18 Uhr, bis 26. August