OFF-KINO
: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

Das Beste an „Tarzan und sein Sohn“ ist zweifellos der Originaltitel „Tarzan Finds a Son“. Hätten Tarzan und Jane ihr nachmaliges Adoptivkind nämlich nicht bei einem Flugzeugabsturz gefunden, sondern den Sohn in Eigenarbeit produziert, dann hätten die amerikanischen Kinozuschauer des Jahres 1939 ja unter Umständen glauben können, dass im Urwald unmoralische Dinge passieren. Womöglich sogar Sex. Und waren Tarzan und Jane überhaupt verheiratet? Solche Fragen spielten eine wichtige Rolle für die Zensoren des amerikanischen Filmproduzentenverbandes, die sich seit 1934 beim sogenannten Production Code strikt an den Moralvorgaben der katholischen Kirche orientierten. Der Sex-Appeal des wilden Dschungellebens war jedenfalls hinüber, die moralisch einwandfreie Familienunterhaltung hielt auch im Busch Einzug. (29. 8., Arsenal)

Der Saxofonist Charlie Parker war der wohl hervorragendste Vertreter des Bebop, eines Jazzstils, der sich in der Nachfolge des Swing an deutlich vertrackteren Rhythmen und dissonanten Melodien versuchte. 1955 starb Parker nach fast 20 Jahren Heroinsucht im Alter von nur 34 Jahren. Allerdings hatte zu diesem Zeitpunkt der Cool Jazz den Bebop schon abgelöst, so dass Parkers wichtigste Beiträge zum Jazz damals bereits Geschichte waren. „Celebrating Bird – The Triumph of Charlie Parker“ (1987) von Gary Giddins und Kendrick Simmons dokumentiert das Werk und das – aufgrund seiner Drogensucht schwierige – Leben des Musikers und wartet mit raren Aufnahmen von Auftritten Parkers auf. Zu sehen im Cinemarock-Programm in den Hackeschen Höfen aus Anlass von Parkers 90. Geburtstag. (27. 8., Hackesche Höfe)

„Magst du Filme?“ „Nicht so ein Kunstzeug, wie du es machst.“ Nicht ganz einfach, das Porträt eines Mannes zu drehen, der einem glatt ins Gesicht sagt, dass er damit nichts anfangen kann. Peter Sempel hat es trotzdem getan und verfolgte mit einer kleinen Digitalkamera Lemmy, den Sänger, Bassisten und Songschreiber von Motörhead, bei Plattenaufnahmen in Bracken nahe Lüneburg sowie bei einigen Open-Air-Konzertauftritten. Meistens reden Filmemacher Sempel und der begnadete Hardrocker Lemmy fröhlich aneinander vorbei – Sprachprobleme und unterschiedliche Mentalitäten spielen dabei eine nicht unwesentliche Rolle. Überhaupt aber gibt Lemmy nicht gern Auskunft über sich und seine Motivation, er spielt lieber im Bistro „Marcel“ am Automaten und kontert ernstgemeinte Fragen mit kleinen nichtssagenden Scherzen. Doch Sempels Hartnäckigkeit und das gnadenlose Cinéma-vérité-Konzept, das auch die ständigen Missverständnisse und Sempels gelegentlich banale Fragen dokumentiert, zahlen sich irgendwann aus: Hinter der Maske des abweisenden Brummbären scheint dann doch ein intelligenter und durchaus sensibler Musiker durch, der sich für viele verschiedene Dinge interessiert – und nicht nur für Rock ’n’ Roll, Drogen und Frauen mit großen Brüsten. Bloß vor der Kamera möchte Lemmy das eigentlich nicht so gern zugeben. (29. 8., Lichtblick) LARS PENNING