„Sehnsucht nach alten Stadien“

Am Wochenende steigen auch die Nordclubs in die erste Bundesliga-Saison nach der Fußball-WM ein. Fanvertreter Justus Peltzer über Stadiontouristen, „Versitzplatzung“ und peinliche Stadionnamen

Interview:ROLAND WIEDEMANN

taz: Herr Peltzer, rechnen Sie nach der WM mit großem Zulauf bei den Fan-Gemeinden?

Justus Peltzer: Das mag für die ersten paar Spiele schon so sein. Aber dann kehrt relativ bald wieder Normalität ein. Wobei gerade die Zahl der Stadiontouristen über einen längeren Zeitraum sicherlich steigt.

Was unterscheidet Stadiontouristen von aktiven Fans?

Der aktive Fußball-Fan schaut sich regelmäßig Spiele seines Klubs an und fährt auch öfter zu den Auswärtsspielen. Er bringt sich beim Support seines Teams aktiv ein, sprich er macht bei den Fangesängen mit und bastelt schon mal ein Spruchband. Der aktive Fan äußert sich aber auch auf Jahreshauptversammlungen, im Stadion oder in Internetforen kritisch zu Dingen, die ihn an seinem Klub stören. Der Stadiontourist geht höchstens ein paar Mal pro Saison zum Spiel. Nicht, weil er einen Verein unterstützen will, sondern um die Atmosphäre hautnah zu spüren.

Und dabei nimmt er dem aktiven Fan den Platz weg …

Das stimmt in gewisser Weise. Die Vereine haben mehr und mehr die Stadiontouristen als Zielpublikum im Visier. Die traditionelle Würstchenbude und der Bierstand verschwinden zugunsten schicker Gastronomiebereiche. Weitaus schlimmer ist aber, dass es in den modernen Stadien immer weniger Stehplätze gibt, die klassische Heimat der aktiven Fans.

Sie fordern also mehr Stehplätze in den Arenen?

Wir kämpfen seit Jahren gegen die zunehmende Versitzplatzung. Manchmal mit Erfolg. Es gibt Leute unter den Club-Verantwortlichen, die die Bedeutung der Stehplatzbereiche für die Stimmung in den Stadien erkennen. Zum Beispiel in Hamburg in der AOL-Arena scheint sich auf Druck der Fans hin etwas zu tun. Aber da muss noch mehr passieren. Es gibt nicht wenige Fans, die sich nach den alten Stadien zurück sehnen.

Haben Sie sonst noch Wünsche für die neue Saison?

Dass die Polizei ihre Linie beibehält, die sie während der WM gefahren hat. Nämlich sich mehr im Hintergrund zu halten und weniger martialisch aufzutreten. Fußball-Fans sind keine Gewalttäter, denen man mit Helmen und Schlagstöcken entgegentreten und bei jeder Kleinigkeit eins auf die Finger geben muss.

Fühlen sich Fans im Signal Iduna Park oder in der Veltins-Arena als zahlende Stimmungsmacher missbraucht?

Die Vereine müssen tatsächlich einen Spagat vollziehen. Einerseits gilt es Traditionen zu wahren und andererseits muss der Klub neue Einnahmequellen erschließen, um den sportlichen Erfolg sicher zu stellen. Letzteres ist auch den aktiven Fans bewusst. Aber diese unsäglichen Stadionumbenennungen tun sehr weh. Schlimmstes Beispiel ist der Name EasyCredit-Stadion in Nürnberg. Das mag kurzfristig Geld bringen, langfristig aber schadet es dem Image eines Vereins. Schön, dass das Weserstadion noch Weserstadion heißt.

Das sich immer schneller drehende Spielerkarussell steigert auch nicht gerade die Identifikation mit dem Verein.

Daran haben sich die Fans ein Stück weit gewöhnt. Ein Spieler muss heutzutage nicht ein Leben lang bei einem Klub spielen, damit er dort Publikumsliebling wird. Das kann ein guter Mann schon in zwei Jahren schaffen. Wenn er auf dem Platz alles gibt. Und wenn er vorbildlich mit den Fans umgeht, also bei Fanclub-Feiern vorbeischaut und auch mal das Gespräch sucht.

Was bereitet Ihnen, als Fußball-Fan, die größte Sorge?

Dass, wie schon in anderen europäischen Ligen, die Eintrittspreise in die Höhe schnellen. Ganz extrem ist das in England zu beobachten. Viele Leute, die jahrzehntelang bei Wind und Wetter ihren Klub unterstützt haben, können sich dort den Stadionbesuch nicht mehr leisten. Sie müssen sich im Pub das Heimspiel ihrer Mannschaft anschauen, während sich gut verdienende Stadiontouristen auf bequemen Schalensitzen breit machen.