Der Wochenendkrimi
: Beckett und der anomale Alltag

„Criminal Minds“, So 21.15 Uhr, Sat.1

In einer Welt, die sich aus hoch spezialisierten Einheiten zusammensetzt, tut ein universaler Aphorismus manchmal ganz gut. Das ist vielleicht ein Grund, weshalb in „Criminal Minds“ im Fünfminutentakt Dichter und Denker in Stellung gebracht werden. Die erste Folge ist noch nicht halb um, da wurden schon Conrad, Beckett und Emerson zitiert. Im literarischen Sendungsbewusstsein der Edelserie liegt aber auch ein tieferer Sinn verborgen: Verliere beim Studium des Details nie das große Ganze aus dem Blick.

So stellt „Criminal Minds“ eine weitere Bereicherung des modernen Fernsehkrimi-Kosmos dar, der mit Forensikern, Gerichtsmedizinern und anderen Teilbereich-Koryphäen ja schon sehr eng bevölkert ist. Hier geht es nun um die Verhaltensanalysten der BAU (Behavioral Analyses Unit), einem Einsatzkommando des FBI, das sich in das Denken von Serientätern einfühlt. Wie in allen Spezialistenkrimis setzt sich das Team aus einer Reihe unterschiedlicher psychologischer Typen zusammen, deren menschliche Eigenheiten durchaus zur Dynamik der Ermittlung beitragen, die aber nie das Täterrätsel in den Hintergrund drängen. Da ist etwa Special Agent Jason Gideon (Mandy Patinkin), der sich nach einem traumatischen Erlebnis vor einem halben Jahr in den Lehrbetrieb verabschiedet hatte und nun für die Untersuchungen eines besonders schwierigen Falls reaktiviert wird. Und da ist das IQ-Monster Spencer (Matthew Gray Gubler), der über das Wissen eines 200-jährigen Professors verfügt, aber leider nur über die soziale Kompetenz eines 12-Jährigen.

In der Pilotfolge muss die Mannschaft innerhalb von 36 Stunden einen Serienkiller ergreifen, in dessen Händen sich eine noch lebende Frau befindet. Schon erstaunlich, wie viel relativ seriöse Informationen und Psychologie die Macher durch die 45 Nettominuten filtrieren, ohne allzu viel digitalen Schabernack im „C.S.I.“-Stil treiben zu müssen.

Auf diese Weise bildet „Criminal Minds“ die Antithese zum Hallenser „Polizeiruf“, der heute in Konkurrenz im Ersten läuft. Während die Deutschen zur Täterergreifung trödeln, um am Ende beim Bierchen den Sieg über das Verbrechen zu feiern, denken sich die Amis mit hohem Puls in den Mörder hinein, ohne dies am Ende als Überwindung des Bösen auskosten zu können. Das ist das Verstörende an diesem hübschen kleinen Spezialisten-Serial: Die Anomalie ist hier Alltag, man muss sich darin einrichten. Christian BUSS