„Leicht zu beschaffen“

Sprengstoffexperte Plewinsky: Rohmaterial für Bomben ist überall leicht zu kaufen: „Die reinen Substanzen sind völlig harmlos“

taz: Herr Plewinsky, was ist das Neue an den Sprengsätzen, die für die Anschläge in London geplant waren?

Bodo Plewinsky: Das Neue ist, dass die Bomben in zwei Teilen in das Flugzeug gebracht werden sollten. Jede Bombe besteht aus zwei Teilen, einem Explosivstoff und einem Zünder. Die Terroristen sind auf die Idee gekommen, die beiden Teile einzeln in das Flugzeug zu bringen und dann da zusammenzufügen.

Ist das denn so einfach möglich?

Ja. Man kann die zwei Teile in sehr kurzer Zeit zusammenfügen und daraus eine funktionsfähige Bombe bauen.

Es reicht schon, mit der Batterie eines Laptops und einem Explosivstoff eine Bombe bauen, die ein ganzes Flugzeug zerstören kann.

Können die Attentäter das Material für Bomben so leicht beschaffen?

Ich gehe davon aus, dass die Terroristen den Sprengstoff selbst herstellen. Das Rohmaterial ist, je nach Art der Bombe, sehr leicht zu beschaffen. Die reinen Substanzen sind völlig harmlos und deshalb überall zu kriegen.

Können die Sprengsätze am Flughafen überhaupt gefunden werden?

Das ist fast unmöglich. Der Explosivstoff ist als Pulver und auch als Flüssigkeit nur schwer zu finden. Da reicht eine einfache Kontrolle am Flughafen nicht aus. Als Zünder reichen die Drähte und Batterien eines Laptops oder sogar einer großen Uhr.

Können die Flughäfen solche Anschläge überhaupt verhindern?

Schon dadurch, dass die Bombe in zwei Teile geteilt ist, ist sie kaum mehr zu finden. Der nächste Schritt ist aber noch schlimmer: Der Explosivstoff kann ganz einfach am Körper getragen werden. Ohne wirkliche Leibesvisitation kann er da nicht gefunden werden. So hart es klingt: Leibesvisitationen aller Fluggäste am Flughafen sind die einzige Möglichkeit, solche Anschläge in Zukunft zu verhindern. Deshalb müssen die Kontrollen dahingehend verstärkt werden.

Was kann man in Zukunft noch im Handgepäck mitnehmen?

Es wird darauf hinauslaufen müssen, dass die Passagiere gar kein Handgepäck mehr mitnehmen können. Fotoapparate, große Uhren und Laptops müssen in Zukunft zu Hause bleiben.

Warum ist man jetzt erst auf die Gefahr aufmerksam geworden?

Bisher ging man davon aus, dass eine Bombe schon durch Drähte verbunden ist, die man an der Flughafenkontrolle sehen würde. Bis jetzt ist einfach noch niemand darauf gekommen, dass man die Bombe auch in zwei Teilen transportieren und später zusammenbauen kann. INTERVIEW: Sophie Haarhaus