: An die Hand genommen
KUNSTMARSCH Wo viel kuratiert wird, wird auch gern herumgeführt – nicht dass das kunstfreudige Publikum am Ende noch die kostbare Orientierung verliert. Ein Acht-und-ein-Ortstermin in Braunschweig
Es gibt kaum noch bildende Kunst, die ohne Kurator daherkommt. Ja, manchmal überlagern sich sogar schon mehrere einander kuratierende Kuratoren. Man könnte also sagen: Das Kuratorenhandwerk hat Hochkonjunktur.
Braunschweig wiederum ist mit Auftritten moderner Kunst eigentlich nicht überversorgt: Hier könnte jeder noch eigenständig die raren Artefakte aufspüren, in Ruhe eine gute Ausstellung besuchen. Nichtsdestotrotz wird auch hier emsig kuratiert, Kunst muss hinaus in ungewohnte Orte: in Architekturbüros zum Beispiel oder ins fade Foyer einer Baugenossenschaft. Und das alles muss, zumindest ein paar Mal, in einem Rundgang präsentiert werden – mit der Kuratorin, versteht sich.
Dieser Fußmarsch zur „Kunst Acht“ – über acht und eine Station – ist an einem ganz normalen Nachmittag gut besucht, sogar ein ehemaliger Präsident der örtlichen Kunsthochschule marschiert mit. Los geht es in der Martini-Kirche. Dort gibt es ein güldenes Kultgefäß zu bestaunen, gefertigt allerdings aus den goldenen Plastikinnereien von Konfektschachteln. Hier ertönt aber auch die kuratorische Erklärung, dass der Betrachter verunsichert werden solle. Nicht zum letzten Mal: Von irritierenden Arbeiten, unerwarteter Spannung, poetischer Aufladung und allerhand, das zu unterlaufen die Kunst sich anschickt, wird noch mehrfach die Rede sein.
Nicht immer steht das auch im Einklang mit der augenfälligen Anmutung der Kunstobjekte. Denn neben einem Professor, männlich, der sich mit einer Klangkunstinstallation der visuellen Bewertung entzieht, arbeiten einige der acht teilnehmenden Künstlerinnen mit textilen Techniken, die zumindest gewöhnungsbedürftig sind. Gern wird gestickt, sehr gern mit rotem Faden.
Aber der Tross zieht weiter, etwa zu weiteren textilen Objekten von Andrea Mutz: Die wurden während exzessiven Radiohörens von der Künstlerin mit Szenen aus den Nachrichten bemalt und sind nun zu einem dekorativen Wühltisch arrangiert.
Ganz anspruchsvoll wird es gegen Schluss. Da wird gar Freuds Drei-Instanzen-Modell des Es, Ich und Über-Ich für eine dreiteilige Malerei bemüht. Rezeptions-Autorität mitgeliefert: „Delegiertes Genießen“ nennt sowas der Wiener Kulturwissenschaftler Robert Pfaller – wenn es denn immer ein Genuss wäre.BETTINA MARIA BROSOWSKY
bis 12. September an neun Orten in Braunschweig; nächster Rundgang am 4. September. Internet: www.kunst8.org