Süßer die Glocken nie klingen

Beim Besuch des Papstes in München wird auch die „Bild“-Redaktion dabei sein

Aber bei Papst Benedikt ist sich Diekmann sicher, dass der die Bibel schon hat

Kai Diekmann, der umtriebige Chefredakteur von Deutschlands größter Four-letter-Zeitung, blättert begeistert im neuesten Produkt aus seinem Hause. Der prachtvoll ausgestattete Bildband mit dem poetischen Titel „Süßer die Glocken nie klingen – Die 1000 schönsten Seite-eins-Girls“ ist ein echter Hingucker für die bildungsfernen Stände, und das Ganze gibt’s zum echten Hammer- und Spannerpreis von 9,95 Euro. Mit süffisantem Lächeln liest der hochglanzgegelte Presseprofi den Text zum Bildnis eines Nackedeis, das sich leichtgeschürzt vor der Kamera fläzt: „Huuui, das war aber ein Schreck. Gerade kommt die süße Vanessa (26) nach einem schwülen Tag aus der Dusche der Sakristei, die Haare noch ganz feucht – da kracht’s und donnert’s und blitzt’s draußen wie wild. ‚Huuuch‘, quietscht sie ängstlich und zieht die Schultern so schnell hoch, dass ihr die Bluse runterrutscht. Nur zur Warnung, liebe Vessi: Diese Woche wird’s noch öfter knallen – das Jüngste Gericht und der Weltuntergang sind ganz nah …“

Grund der ungewöhnlichen Produktpräsentation: Der triefäugige … – pardon, tiefgläubige Katholik hat sich für den Besuch von Papst Benedikt XVI. in dessen bayerischer Heimat vom 9. bis 14. September eine besondere Überraschung ausgedacht. Er will dem Oberhaupt der katholischen Kirche das coffee table book aus dem Hause Friede Springer mit den Prachtmädels schenken.

Schon einmal überreichte er im Rahmen einer Privataudienz dem Vorgänger des Heiligen Vaters, Papst Johannes Paul II., ein Buch. Ach was – das Buch. Das Buch der Bücher, den kiloschweren Bibel-Ziegel im edlen dunkelroten Kunstledereinband mit Kopfgoldschnitt und Lesebändchen. Aber bei Papst Benedikt ist sich Diekmann sicher, dass der die Bibel schon hat. „Und wahrscheinlich hat er sie auch schon ganz durchgelesen. Ist ja auch super spannend, vor allem die Schilderung der Wunder. Man findet dort jeden Tag die guten und fröhlichen, die dunklen und traurigen Seiten des Lebens, genauso wie in unserem Blatt.“ Deshalb soll der von Bild verehrte Mann, in den Schuhen des Fischers („Wir sind Papst“), ein Buch bekommen, das er garantiert noch nicht kennt und das aus der Mitte des Volkes zu ihm spricht.

Einwände von Kritikern, das Geschenk sei allzu fleischlastig und könnte dem Papst noch so manche schlaflose Nacht bereiten, wichst …–, pardon … wischt Diekmann mit Verve beiseite. Der in seiner westfälischen Jugend leidenschaftliche Messdiener und spätere Ursulinenschüler geht in die Offensive: „Warum soll der nackte Mensch, wie Gott ihn schuf, für den Papst ein Problem sein? Ich glaube, wir müssen uns mal zusammen in der Sixtinischen Kapelle Michelangelos Deckenfresko anschauen. Nackt kommst du auf Erden, nackt wirst du von ihr gehen. Und vielleicht haben unsere leichtgeschürzten Damen alle einen tieferen Bezug zur Welt des Glaubens, als man das bei oberflächlicher Betrachtung meinen könnte.“

Wir können es uns schon jetzt ausmalen, wie es sein wird, wenn es zum Zusammentreffen von Diekmann und Konsorten mit dem Papst kommt: Die Delegation von Bild, ganz in Schwarz, schreitet sanft über den kühlen Marmor und die dicken gespannten Teppiche der Münchner Residenz. Man empfindet Ehrfurcht und Geborgenheit. Den Atem der Geschichte und der Ewigkeit. Schließlich die beglückende Begegnung mit dem Heiligen Vater, der seine sanfte Hand anbietet und ein gutes Gespräch über die letzten Fragen der Menschheit. Manchem wird bei so viel Pathos und Rührung einer abgehen. Weshalb man sich schnell wieder an den eigentlichen Grund der Audienz erinnert. Der Bild-Chefredakteur überreicht feierlich den Bildband. Tief bewegt blättert Papst Benedikt XVI. in dem Band, liest den Begleittext zum Bild einer sich lasziv räkelnden, halbnackten Dame:

„Offenbarung der Johanna: Sie hat’s schon wieder im Rücken! Johanna (25), süße Gärtnerin in einem Kloster, sollte wirklich weniger Überstunden machen. Nach all dem vielen Bücken beim Unkrautjäten hilft auch alles Räkeln im Bett nichts mehr – der Rücken schmerzt. Vielleicht findet sich endlich mal ein netter Klosterbruder, der ihr ein paar entspannendere Positionen zeigt …“

Was zu viel ist, ist zu viel – jetzt werden die alten Reflexe wach: Mit einem versteinerten Lächeln legt der Papst das ungebetene Geschenk beiseite und ruft die Bodyguards von der Alice-Schwarzer-Garde … – Entschuldigung, Schweizergarde. Auf einen Wink hin bildet sich ein Kreis aus gekreuzten Hellebarden um die Redakteure des Blut-und-Sperma-Blattes. Sie werden in Ketten gelegt und abgeführt. Ein klarer Fall für die Folterkerker der Inquisition …

RÜDIGER KIND