Die Halbinsel Jaffna ist isoliert

Gefechte zwischen sri-lankischen Regierungstruppen und tamilischen Rebellen dauern an. Rund 60.000 Flüchtlinge im Nordosten des Landes. Vermittler kritisieren Regierung in Colombo

VON RALF LEONHARD

Mit heftigen Gefechten auf der sri-lankischen Halbinsel Jaffna haben die Zusammenstöße zwischen Regierungstruppen und tamilischen Rebellen (LTTE) am Wochenende eine neue Qualität erreicht. Die LTTE attackierte mit Artilleriebeschuss die Luftwaffenbasis von Palaly im äußersten Norden, die wohl am besten verteidigte Stellung der Armee im ganzen Land. Die Armee meldete, sie hätte den Angriff nach 20 Minuten zurückgeschlagen, doch durch die Geschosse sollen die Landebahn und zumindest ein Hubschrauber beschädigt worden sein.

Gleichzeitig überrannten die Tiger-Rebellen mehrere Armeeposten unweit des Elefantenpasses, der die von Regierungstruppen gehaltene Halbinsel von der LTTE-verwalteten Region Vanni trennt. Weiter südlich, in der strategischen Hafenstadt Trincomalee, nahm die LTTE Marineanlagen unter Beschuss. Dadurch ist neben der Luft- und der Landverbindung auch der Seeweg nach Jaffna abgeschnitten. Die fast rein tamilisch besiedelte Halbinsel Jaffna, die im Bürgerkrieg lange Zeit von den Rebellen kontrolliert war, ist damit erneut isoliert. Auch die Telefonverbindung ist unterbrochen.

Ungeachtet der Eskalation beteuern beide Seiten, sie wollen nicht nur am seit 2002 geltenden Waffenstillstand festhalten, sondern zu einer neuen Dialogrunde zusammenkommen. Seevaratnam Puleedevan, der Chef des LTTE-Friedenssekretariats, ließ der Regierung über die skandinavische Monitoringmission (SLMM) die Bereitschaft der Rebellen ausrichten. Auch Armeesprecher Keheliya Rambukwella versicherte am Samstag in Colombo, die Regierung sei weiter bemüht, eine Formel zu finden, die den Minderheiten mehr Rechte einräume. „Während die LTTE den Krieg sucht, bemühen wir uns um eine Lösung und hoffen, alle Parteien an den Verhandlungstisch zurückzubringen.“ Rund acht Prozent der 19 Millionen Einwohner gehören der Minderheit der Tamilen an. Sie leben vor allem im Norden und an der Ostküste des Landes.

Auch die Hauptstadt Colombo, wo letzte Woche ein wichtiger tamilischer Politiker bei einem Attentat schwer verletzt wurde, bleibt Schauplatz politischer Anschläge. Am Samstag wurde der stellvertretende Leiter des Friedenssekretariats der Regierung, Ketheesh Loganathan, ermordet. Für die Regierung trug der Anschlag die Handschrift der LTTE.

Aber auch die Armee verletzt den Waffenstillstand täglich. Dabei setzt sie zunehmend die Luftwaffe ein. Und auch die Paramilitärs der Karuna-Gruppe, die unter dem Schutz der Armee operieren, mischen sich ein. Am Wochenende entführten sie im Dorf Vaddavan, unweit von Batticaloa an der Ostküste, sieben Menschen. Das Dorf wird mit österreichischen Spendengeldern für Tsunami-Opfer aufgebaut.

Im Nordosten sind mindestens 60.000 Menschen auf der Flucht. Davon sind 22.000 bei Kantale, wenige Kilometer westlich des Kampfgebietes der vergangenen Wochen, untergebracht. Humanitäre Organisationen beklagen unhaltbare sanitäre Verhältnisse und fehlende Lebensmittel. Rund 1.000 Familien irren im militärischen Sperrgebiet bei Trincomalee herum. Sie sind von Hilfe abgeschnitten.

Die Sri Lanka Monitoring Mission, die über den Waffenstillstand wachen soll, äußert sich zunehmend kritisch über die Regierung. So wird eine unabhängige Untersuchung der Ermordung von 17 Mitarbeitern der französischen NGO „Aktion gegen den Hunger“ in der Stadt Muttur von offizieller Seite hinausgezögert. „Wenn sie Beweise haben, dass es die LTTE war, warum legen sie die nicht auf den Tisch?“, fragte ein SLMM-Mitglied. Thorfinnur Omrasson, Sprecher der Mission, den die Sonntagszeitung The Sunday Leader zitiert, fürchtet eine weitere Eskalation: „Jede Fortbewegung ist wegen der Lage schwierig. Aber wir bleiben und sind auf ein noch schlimmeres Szenario vorbereitet.“

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