LESERINNENBRIEFE
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Freidemokratische Ungenauigkeit

■ betr.: „Leiden kennt kein Alter“, taz vom 15. 2. 14

In einem solchen Artikel, der wahrscheinlich für niemanden zu lesen ist, ohne dass am Ende Tränen in den Augen stehen, können Sie nicht einfach schreiben: „Bienen und Schmetterlinge kleben an den Glaswänden“. Sie meinten sicherlich Klebebildchen oder Ähnliches, vermute ich nach Erschrecken und näherem Nachdenken.

Aber es ärgert mich die Formulierung des jungen Senators De Gucht, die Sie auch noch herausheben: „Die Grundidee ist Entscheidungsfreiheit …“ Das ist eine typisch freidemokratische Ungenauigkeit, um nicht zu sagen Sprechblase oder gar Selbstüberschätzung, der leicht Menschen auf den Leim gehen können. Politiker haben für die Freiheit von Menschen einzustehen, wie sie in den Verfassungen festgelegt sind, und zwar unerbittlich. Entscheidungsfreiheit ist eine psychische Fähigkeit, zu der manche Menschen sich durchringen und kämpfen müssen, manchmal brauchen sie dazu sogar unterstützende Begleitung von fachkundigen Menschen. Sie hat mit politischer Verantwortlichkeit nicht primär zu tun. Vielmehr muss die Politik für Bedingungen sorgen, damit Entscheidungen von Menschen frei sein können von zum Beispiel materiellen Zwängen. Insofern habe ich für mich selber längst die Entscheidung getroffen, mein Leben möge, so es am Ende ist, nicht durch maschinelle oder chemische Hilfe künstlich verlängert werden.

IRENE FRÖHLICH, Husum

Unschuldig in Haft

■ betr.: „Vernichtung statt Strafe“, taz vom 19. 2. 14

Lieber Ilija Trojanow, vielen Dank für Ihren gut recherchierten und engagierten Artikel bezüglich Leonard Peltier, der seit Jahrzehnten unschuldig in den USA in Haft sitzt. Über die „Gesellschaft für bedrohte Völker“ erfuhren wir schon in den 1990ern von Herrn Peltiers Schicksal und setzen uns seitdem über diese Plattform für ihn ein. Herr Peltier ist – wie Nelson Mandela und der Dalai Lama – ein positives Beispiel dafür, wie man positiv und ohne Hass ein unverdientes Schicksal annimmt. Also durchaus auch ein gutes Vorbild für uns Menschen. Wir wünschten uns, dass ein Präsident Obama endlich Gerechtigkeit walten lassen würde und diesem armen, alten und mittlerweile schwer kranken Mann die wohlverdiente Freiheit schenkte! SABINE DANNEHL, Lauterecken

Völlig überfordert

■ betr.: „Ein Geheimnis mit vielen Trägern“, taz vom 17. 2. 14

In der Sache haben alle Beteiligten gezeigt, dass sie mit dem Tragen eines Geheimnisses völlig überfordert sind. Ein Geheimnis ist kein Geheimnis mehr, wenn es viele Träger gibt. Es gab zu keiner Zeit die Notwendigkeit, das Wissen um die Ermittlungen gegen den früheren SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy an irgendwen weiterzutragen. Solange Ermittlungen nicht abgeschlossen sind, gilt die Unschuldsvermutung. Die Angelegenheit mag so unappetitlich sein, wie sie will. Wenn die Staatsanwaltschaft sooo lange warten kann, bis sie ermittelt, warum glauben unsere Politiker, dann schneller und klüger als die Justiz sein zu müssen? Wenn die Schuld Edathys geklärt ist, wäre immer noch alle Zeit gewesen, ihn aus seinem Amt zu entfernen. DAGMAR THOMAS, Bad Grund

Probleme à la CSU

■ betr.: „Ein Geheimnnis mit vielen Trägern“ u. a., taz vom 17. 2. 14

Dieser „Fall“ besteht aus drei Fällen: dem des vermutlich pädophilen Bundestagsabgeordneten Edathy, der seine Konsequenzen gezogen hat und politisch – und hoffentlich auch sozial – erledigt ist. Der skandalösen Weitergabe von Ermittlungsständen durch das BKA und die Staatsanwaltschaft einschließlich der gesetzeswidrigen Schuldvermutung durch den Hannoveraner Staatsanwalt Fröhlich.

Und schließlich und hauptsächlich der Frustration beim ehemaligen Innenminister Friedrich über seine Degradierung zum Landwirtschaftsminister, die durch die Bundeskanzlerin in Form der mangelnden Unterstützung noch mal bestätigt wurde. Da hat Friedrich die wunderbare Gelegenheit zum Rücktritt genutzt, um der Bundeskanzlerin und der SPD Probleme zu bereiten. Diese Version gewinnt an Wahrscheinlichkeit, wenn man bedenkt, dass CSU-Politiker noch aus viel schwerer wiegenden Gründen nicht zurückgetreten sind. Hier war die Chance, sich selbst als Gutmensch und die anderen als unehrenhafte Schwätzer darzustellen und das Klima in der GroKo nachhaltig zu vergiften. DIETER BEHRENDS, Bremen

Unglaublich und schändlich

■ betr.: „Kein Wort der Reue“, taz vom 18. 2. 14

Das Versagen der Polizei bei Delikten mit rechtsextremem Hintergrund scheint in unserer Gesellschaft nicht die Ausnahme, sondern die Regel zu sein. Die Defizite der Polizeiarbeit in diesem Bereich sind so massiv, dass man nicht mehr ein strukturelles Problem („zu wenige Polzisten auf der Wache“), sondern bewusste Versuche der Strafverschleierung vermuten muss.

Eigentlich müsste die Polizeiarbeit fast täglich die Titelseiten der Medien füllen, bis die Polizei wieder „Freund und Helfer“ aller Menschen und nicht nur derjenigen mit Thor-Steinar-Klamotten ist. Dass die betroffene Familie aus ihrem Wohnort wegziehen musste und die Angeklagten durch Blicke und Worte Zeugen während des Verfahrens aktiv bedrohen, ist unglaublich und schändlich.

MICHAEL ROLF, Nürnberg