Ein Mann der Zauberei

Immer in Anzug und Weste gekleidet, malte er gern auch mal auf dem Couchtisch. Das Lippische Landesmuseum in Detmold zeigt Teo Otto, einen der bekanntesten deutschen Bühnenbildner

„Nicht das Theater war sein Element, sondern die Malerei, das Theater war sein Schicksal.“

VON PETER ORTMANN

Vorhang auf. Ein Theaterstück beginnt. Der erste Blick gilt oft nicht den Schauspielern, die bereits auf der Bühne stehen. Der erste Blick gilt der Bühne selbst, dem oft unterschätzten Bühnenbild. Das Lippische Landesmuseum in Detmold zeigt einen der größten deutschen Ausstatter dieses Innenraums. Teo Otto (1904-1968) arbeitete nach 1949 für Bertolt Brecht in Ost-Berlin, lehnte aber ein festes Engagement am neu gegründeten Berliner Ensemble ab. 1957 schuf er die Bauten zu Gustav Gründgens berühmter „Faust“-Inszenierung. Das Interieur zum Goethe-Stück hat er ganze 15 Mal für die Bretter neu erdacht.

In Remscheid verließ er mit 17 Jahren sein Elternhaus in Richtung Kassel und Weimar. Nach der Maschinenbau-Fachschule wollte er lieber Maler werden. Er wurde an der Kunstakademie Kassel Meisterschüler von Ewald Dülberg. Dann fand ihn die Bühnenbildnerei und 1928 war er mit 24 Jahren bereits Chef-Ausstatter des Preußischen Staatstheaters Berlin. 1933 emigrierte er in die Schweiz, wo er schnell am Schauspielhaus Zürich Arbeit fand, Zeitgenossen wie Friedrich Dürrenmatt und Max Frisch kennen lernte, die ihm beide ihre Uraufführungen anvertrauten. Frisch nannte ihn gar einen „Mann der Zauberei“. Denn Otto erschuf ständig neue, fast surreale Welten für Oper und Theater. In seiner 40-jährigen Karriere kam er auf sensationelle 800 Ausstattungen. 1958 übernahm er eine Professur an der Düsseldorfer Kunstakademie, die er bis zu seinem Tod inne hatte. Jörg Immendorff und Katharina Sieverding gehörten zu seinen Schülern.

„Naturalismus als Mittel kann so gut sein, wie er als Programm schlecht ist. Abstraktion als Mittel kann ebenso gut sein, wie sie als Programm tödlich wirken kann,“ sagte er und verwies die sich damals steigernde theoretische Programmatik an den Bühnen in die Schranken. Er wollte ein Theater, das jedermann verstand. Nicht ohne Grund standen die Bühnen für seinen Freund Brecht im Mittelpunkt der Arbeit, die auch das Theater des 20. Jahrhunderts prägte. Viele dieser neben Modellen immer auch malerisch erarbeiteten Entwürfe sind nun in Detmold zu sehen, aber auch eine Auswahl seiner großformatigen Ölbilder. Hier thematisierte er die Wegwerfgesellschaft und immer wieder die miterlebten Kriege.

Man steigt hinab wie in Auerbachs Keller und eine Atmosphäre aus bunten Farben fängt den Besucher ein. Der Blick fällt auf ein Podest mit Stangen, die eine abstrakt bemalte Leinwand tragen – es ist die Rekonstruktion eines minimalistischen Bühnenbildes für Strawinskys „Die Geschichte vom Soldaten“ (1960 in Köln) und diente dem Detmolder Landestheater im letzten Jahr als Requisite. Nach all der Arbeit auf der Bühne, die 1968 in Frankfurt abrupt endete, griff der immer in Anzug und Weste gekleidete Mann mit den weißen Haaren zu Palette und Pinsel. „Selbst am Couchtisch malte er“, erinnern sich bei der Eröffnung der Ausstellung seine Frau und seine Tochter, die nun ihre Sammlung für die Ausstellungsmacher geöffnet haben. Es sei eine unglaubliche Karriere für einen jungen Mann gewesen, der aus einer Arbeiterfamilie stamme.

Bis 29. Oktober 2006Infos: 05231-99250