Studis zahlen für den Sitzplatz

Die NRW-Hochschulen erwarten einen Studierenden-Ansturm. Um ausreichend Sitzplätze zu haben, will die Uni Wuppertal einen Hörsaal aus Studienbeiträgen finanzieren

VON MORITZ SCHRÖDER

Die Studiengebühren werden nun doch zweckentfremdet: „Die Beiträge können unsere Überlastung ein Stück weit auffangen“, sagt Volker Ronge, Vorsitzender der Landesrektorenkonferenz und Rektor der Universität Wuppertal. Hier sollen mit den Studienbeiträgen fehlende Räume finanziert werden. Die Hochschulmaut sollte ursprünglich nur in die Lehre fließen. Aber schon jetzt ist die Auslastung an Universitäten und Fachhochschulen in NRW besonders hoch. Für die kommenden Jahre erwartet das Landes-Wissenschaftsministerium sogar 37.000 neue Studierende für Deutschlands größtes Hochschulland.

Die Pläne der Uni Wuppertal, mit den Studienbeiträgen ihre Kapazität zu erhöhen, ist eine Abkehr von den Verlautbarungen der Landesregierung. Die Gebühren sollten eigentlich nur die Qualität der Lehre an den Hochschulen steigern, so die Ankündigung von Minister Pinkwart (FDP). „Es darf keine Kapazitätserweiterung durch die Beiträge geben“, sagte er gestern.

Eine Einschränkung macht Pinkwart trotzdem: „Wenn der Hörsaal ein Engpass ist, dann dürfen die Mittel dafür eingesetzt werden.“ Insgesamt aber sieht der Minister keinen Studienplatzmangel in NRW. Es seien genug Plätze vorhanden, „nur nicht immer am richtigen Standort.“ Zumindest in Wuppertal rechnet Rektor Ronge aber mit sinkender Qualität der Lehre und befürwortet höhere Zugangshürden für die Studierenden: „Wir können eben nicht mehr alles anbieten, was die Leute wollen.“

Die Überlastung macht sich besonders in überfüllten Seminarräumen bemerkbar: „Es gibt an allen Landeshochschulen irrsinnige Raumprobleme“, beklagt Ronge. An der Uni Wuppertal müssten sich etwa im Studiengang Betriebswirtschaftslehre 800 Anfänger 340 Plätze im größten Hörsaal teilen. Daher sei ein neues Hörsaalgebäude notwendig.

Während Wuppertal baut, steigen die Studierendenzahlen im Land aus verschiedenen Gründen stark an: Bundesweit wird es in den kommenden Jahren mehr AbiturientInnen geben die studieren möchten, schätzt etwa das Bundesforschungsministerium. Laut einer aktuellen Studie des Bundesamts für Statistik haben sich im Wintersemester 2004 außerdem rund 7.500 Bewerber aus ostdeutschen Ländern zusätzlich an den Hochschulen in NRW beworben. Dazu kommt 2013 noch das so genannte „Turbo-Abitur“. An den NRW-Schulen machen dann die Jahrgänge 12 und 13 gemeinsam ihren Schulabschluss. „Dann erreichen wir den Bewerbungs-Gipfel an den Hochschulen“, so der Sprecher des Wissenschaftsministeriums, Ralf Weimar.

Im Bundesvergleich fehlen NRW besonders viele Studienplätze. Nach der genannten Studie hat NRW die drittschlechteste Versorgung unter den Bundesländern. Heißt konkret: Durchschnittlich kommen auf einen Universitäts-Dozenten 22 StudentInnen. Zum Vergleich: In Sachsen-Anhalt betreut ein Professor nur 14,2 Studis.

Laut Berthold Paschert, Sprecher der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in NRW, liegt das an fehlenden Landesgeldern: „Schon heute finanziert NRW nur 75 Prozent des Hochschulbudgets.“ Die einzelnen Hochschulen sind so gezwungen, einzelne Fächer zu schließen. Die Uni Duisburg/Essen etwa will bald ihren Modellstudiengang Ökologie einstellen. Da helfen auch Studiengebühren nicht weiter.