Treiben im Unterholz

Jahrelang wurden die Männer auf der Suche nach dem schnellen Sex in Mahndorf toleriert. Jetzt droht Vertreibung

An einem regnerischen Tag wie gestern war auch am Mahndorfer See kaum Verkehr. Am Badestrand ohnehin nicht, aber auch dort, wo der See an den Autobahn-Rastplatz der A1 grenzt, war es gestern eher ruhig. Immer wieder treffen sich dort homo und bisexuelle Männer zum „cruisen“, wie sie es nennen – zum schnellen anonymen Sex also. Jetzt will Stadtgrün dem unzüchtigen Treiben am Badesee ein Ende bereiten: Spätestens im Herbst wird das Unterholz wieder ausgelichtet.

Zwar vermeldet das zuständige Ortsamt Hemelingen derzeit „keine neuen Beschwerden“ über nackte Menschen und sexuell aktive Pärchen am Mahndorfer See. Dennoch hat der Weser Report vom Sonntag dort ein schwules „Netzwerk“ ausgemacht, das „gewaltige, teilweise beängstigende Strukturen angenommen hat“.

Arno Oevermann, Sozialarbeiter der AIDS-Beratungsstelle im Rat und Tat-Zentrum Bremen, hält das für „aufgebauscht“ und „polemisch“. Gemeinsam mit seinem Kollegen Bernd Thiede ist er bereits seit über zehn Jahren regelmäßig vor Ort, um Präventions und Aufklärungsarbeit zu leisten. Sein Fazit: „So dramatisch ist das nicht.“ Zwar sei „seit langem klar“, dass sich am Mahndorfer See homo, aber auch heterosexuelle Menschen treffen, um sich nackt zu sonnen oder im Gebüsch Sex zu haben. Doch das, sagt Oevermann, sei in den vergangenen Jahren „immer toleriert“ worden.

Das Problem am Mahndorfer See nimmt Oevermann zufolge ohnehin eher ab als zu. In diesem Jahr habe sich die Zahl der regelmäßigen „Cruiser“ halbiert – ein Trend, der laut Oevermann auch in anderen so genannten „Cruising Areas“ zu beobachten sei. „Keinesfalls“ könne in Mahndorf von einer „No Go-Area“ für AnwohnerInnen oder Badegäste gesprochen werden. Auch gebe es „keinerlei Hinweise“ auf Prostitution oder gar Pädophilie, betont Oevermann. „Das sind alles einvernehmliche Kontakte“ – unter Erwachsenen. Gleichwohl stünde das Areal „unter verschärfter Beobachtung“.

Die Polizei ist regelmäßig vor Ort: Entsprechendes Wetter vorausgesetzt, geht der zuständige Kontaktpolizist Thomas Mehmke nach eigenen Angaben „beinahe täglich“ auf Streife am See. Die Lage sei „ziemlich ernst“, findet Mehmke, „laufend“ werde er von MahndorferInnen angesprochen. Die meisten Nacktbadenden indes, so seine Erfahrung, zeigten sich sehr wohl „einsichtig“ – und schlüpfen schnell in eine Badehose. Und ein begründeter Verdacht auf illegale Prostitution besteht laut Polizeiangaben nicht.

In einem Punkt allerdings gibt auch Oevermann den Beschwerden der MahndorferInnen recht. „Es ist wirklich ziemlich verdreckt“ – gebrauchte Kondome, Taschentücher, auch Bierdosen lassen die Gäste gerne mal am See liegen.

Stadtgrün will jetzt die ungeliebten Gäste vom See vertreiben. Wie schon im Frühjahr geschehen, soll auch im Herbst wieder das Gebüsch zurück geschnitten und der Wanderweg rund um den See frei gelegt werden. Damit würde vieles sichtbar – und den Cruisern drohen Platzverweise. Auch Parkuhren wurden neuerdings aufgestellt – länger als eine Stunde darf nun niemand mehr sein Auto auf dem Rastplatz abstellen.

Die Cruiser, sagt Oevermann, haben schon einen neuen, kleineren See gefunden: zwischen Brinkum und Arsten. mnz