berliner szenen Identitätskrise

Kreuzberger Wandlung

Vor der beschaulichen kleinen Tapas-Bar in Kreuzberg hängt ein Wahlplakat der FDP. Man sitzt dort auf einer Mini-Terrasse und nun grinst einen von der Gaslaterne eine wuschelige Mischung aus Goleo und Feridun Zaimoglu an. Sieht aus, als hätte jemand aus Spaß so einen leicht verlotterten Ex-Sponti in ein FDP-Plakat kopiert. Was hat die FDP auch in Kreuzberg verloren. Nach kurzer Zeit springt plötzlich der Mann live und in echt auf die Terrasse und gesellt sich zu einer Gruppe. Der Goleo berichtet, wie er persönlich Plakate an Gaslaternen befestigt hat. Wie viel Spaß ihm der Wahlkampf macht. Aber hier in Kreuzberg, wendet jemand ein.

Wir müssen erst mal verdauen, dass es den FDP-Mann wirklich gibt. In Kreuzberg. Hat in Kreuzberg schon mal jemand FDP gewählt? Warum sitzt der da mit zwei Schwulen? Wählen jetzt die Schwulen FDP? Sein großer Vorteil, erklärt Goleo Zaimoglu, ist, dass er aus dem Kiez stammt. Ja, aus dem Kiez, das ist leicht vorstellbar. Aber FDP? Für die Freiheit und gegen die Obrigkeit, sagt der Kandidat, das sei eine alte Kreuzberger Tradition.

Wir am Nebentisch sind nicht sehr überzeugt. Und eher damit beschäftigt, dass unsere Bar nun ein FDP-Treffpunkt ist. Das haben wir nicht gewollt. Dafür haben wir hier nicht jahrelang Albondigas und Speckpflaumen gegessen. Konsterniert schauen wir die Bedienung an. Die aber findet die FDP-Menschen offenbar gut. Sie trinken auch einiges. Der Kandidat habe eine Werbeagentur, verrät sie uns. Ein Unternehmer, ach so. Später hören wir den Goleo erzählen, dass er adoptiert ist und nicht weiß, ob sein Vater Araber ist oder Südamerikaner. Und ganz zum Schluss sagt er, dass er früher bei den Grünen war. Na dann.

HEIDE OESTREICH