„Weitere Entlastung nicht notwendig“

Ex-Bundesfinanzminister Hans Eichel kritisiert den Plan, die Unternehmensteuern um 5 Milliarden Euro zu senken

taz: In Ihrer Zeit als rot-grüner Bundesfinanzminister haben Sie die Steuer für Unternehmen stark gesenkt. Nun warnen Sie vor einer abermaligen Entlastung der Wirtschaft, die die Bundesregierung plant. Warum dieser Widerspruch?

Hans Eichel: Es ist ein Märchen, dass Rot-Grün den Unternehmen große Summen geschenkt hätte. Dabei wird das Steuerentlastungsgesetz 1999 vergessen, mit dem wir viele Ausnahmen und ungerechtfertigte Vergünstigungen abgebaut haben. Trotzdem sind die Einnahmen aus der Körperschafts- und Gewerbesteuer ab 2001 gesunken, weil durch den Crash der New Economy die Gewinne erheblich zurückgingen. Nun verdienen die Firmen aber wieder gut. Eine weitere Entlastung ist deshalb nicht notwendig.

Die Steuersenkung von zunächst 5 Milliarden Euro, die Finanzminister Peer Steinbrück anvisiert, würde den Unternehmen also einen unötigen Vorteil verschaffen?

Das ist eine Größenordnung, die die Union im Koalitionsausschuss haben wollte. Von der SPD kam das nicht. Alle sind sich dagegen einig, dass die Neuverschuldung gesenkt werden muss. EU-Finanzkommissar Joaquín Almunia hat unlängst darauf hingewiesen, dass Deutschland 2008 sein Defizit nicht wie versprochen senken und damit den reformierten Stabilitäts- und Wachstumspakt einhalten kann, wenn die Unternehmen so viel weniger Steuern zahlen.

Nicht nur die Union, SPD-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück will die Firmen ebenfalls entlasten. Ihre Kritik, die den Argumenten der SPD-Linken im Bundestag ähnelt, richtet sich auch gegen Ihren Nachfolger.

Nein, Peer Steinbrück und die SPD haben sich gemeinsam darauf festgelegt, dass die geplante Reform der Unternehmensteuern nicht viel Geld kosten darf. Das entspricht der Koalitionsvereinbarung. Die Union hat diese Position, die sie beim Jobgipfel 2004 selbst noch vertreten hat, inzwischen verlassen. Jetzt geht es in den Verhandlungen darum, dass die Entlastung nicht zu groß wird.

Was nützt eine Steuerreform, die die Firmen nicht nennenswert begünstigt?

Mit rund 39 Prozent liegen die deutschen Steuersätze für Kapitalgesellschaften im internationalen Vergleich außergewöhnlich hoch. Wir müssen sie senken, um unser Steuersystem wettbewerbsfähiger zu machen. Außerdem werden Steuerschlupflöcher gestopft, wie das auch andere Staaten in Europa tun.

Wenn die Belastung unter dem Strich gleich bleibt, ist das doch Kosmetik.

Nein, damit wird das deutsche Steuersystem international vergleichbarer, und die heute noch hohen Sätze verlieren ihre abschreckende Wirkung.

INTERVIEW: HANNES KOCH