Die Linkspartei hat einen neuen Hausarzt

Der streitlustige Ex-Ärztekammerpräsident Ellis Huber berät die Linkspartei. Aber nicht alle Vorschläge kommen an

BERLIN taz ■ Die Sozialisten betätigen sich derzeit erfolgreich als Headhunter. „Ich freue mich diebisch, dass es uns zunehmend gelingt, Leute aus allen Lagern zu gewinnen“, frohlockt der Gesundheitsexperte der Linkspartei, Frank Spieth, selbst altgedientes, nun ausgedientes SPD-Mitglied. Jüngster Zugewinn ist Ellis Huber, ehemaliger Präsident der Berliner Ärztekammer.

Huber gastiert seit Anfang August für zwei Monate bei der Linksfraktion im Bundestag. Mit den ostlastigen Atheisten verbindet den gläubigen Katholiken zum einen ein wohldotierter Beratervertrag, zum anderen eine gemeinsame Ideologie: „Es geht um die gleichen Werte: Nächstenliebe und Menschlichkeit“, sagte Huber gestern der taz.

Die Linksfraktion hat im Juli Eckpunkte für eine solidarische Bürgerversicherung verabschiedet, die so funktionieren soll: alle Menschen rein in die gesetzliche Krankenversicherung und alle Einkommen mit einem einheitlichen Beitragssatz belegen. Praxisgebühr und Zuzahlungen zu Arzneimitteln können entfallen. Huber soll der Fraktion helfen, aus dieser Wunschliste ein schlüssiges Konzept zu machen.

Er kennt die Fährnisse der Politik. 1982 wurde der Mediziner auf dem Ticket der Alternativen Liste Gesundheitsdezernent in Berlin. Die Linken im Ärzteparlament wählten ihn 1987 zum Kammerpräsidenten – sehr zum Missfallen der konservativen Standesvertreter, die ihn als „Nestbeschmutzer“ verunglimpften. Huber prangerte prompt den Abrechnungsbetrug der Berliner Ärzte an. Diese Wahrheit ließ sich nicht einmal gerichtlich anfechten. Als die Ärztegewerkschaft Marburger Bund 1998 ins konservative Lager umschwenkte, verlor Huber die Mehrheit als Kammerpräsident. Auch ohne Posten verschaffte er sich Gehör und forderte auf Ärztetagen: „Pflichtversicherung für alle und Wahlmöglichkeiten für jeden.“

Nachdem die SPD die Idee der Bürgerversicherung in der großen Koalition fallen gelassen hat, findet es Huber nun gut, dass sich die Linksfraktion dieses „vernünftigen gesundheitspolitischen Konzepts“ annimmt. Doch nach seinen Vorstellungen sollte sich die gesetzliche Krankenversicherung auf die Regelversorgung beschränken. Besondere Bedürfnisse, wie solche nach Einzelzimmern und schön designten Pillen, könnten weiter Privatversicherungen anbieten. Damit könnte er bei den Linkssozialisten anecken: „Das wird natürlich Krach geben. Da heißt es gleich: Zwei-Klassen-Medizin.“ Ein modernes System, sagt Huber, zeichne sich aber durch viel Selbstverwaltung und wenig Staat aus. Das sagt Huber übrigens allen, die es hören wollen: „Ich bin gern auch bereit, die CSU zu beraten.“ ANNA LEHMANN