Der Underdog

Dietrich Wersich hat es nicht leicht. Denn sein Gegenspieler heißt Olaf Scholz, ist Erster Bürgermeister in Hamburg und sitzt so fest im Sattel, dass es ihn selbst überrascht. Die absolute Mehrheit, die Sozialdemokrat Scholz vor drei Jahren errang, attestiert ihm eine aktuelle Umfrage erneut. Und eine persönliche Zustimmung von 66 Prozent. Wersich, der CDU-Fraktionschef und designierte Bürgermeisterkandidat, kommt auf 13 Prozent.

Wohl auch deshalb eröffnete der 49-Jährige am Donnerstag den Wahlkampf mit dem Bekenntnis: „Ich fühle mich als politischer Underdog wohl.“ So beugt man Niederlagen vor. Denn bei nur 24 Prozent liegt die CDU zurzeit in der Sympathie der HamburgerInnen, und Wersich ist derjenige, der sich die Finger verbrennen muss. Sozialsenator war er gewesen im schwarz-grünen Senat, und gegen Schwarz-Grün hätte der 49-Jährige, der als Jugendlicher gegen das AKW Brokdorf demonstrierte, auch nichts einzuwenden, aber dafür ist keine Mehrheit in Sicht. Also müht er sich an Scholz ab wie voriges Jahr im Bundestagswahlkampf Peer Steinbrück an Angela Merkel.

Weniger Schulden würde er machen und trotzdem nicht am Sozialen, an Schulen, bei Familien und Kindern sparen. Mit Linksextremisten und der Roten Flora würde er härter umspringen, ohne das Wort „Räumung“ in den Mund zu nehmen. Und die Wirtschaft ankurbeln. Und die Staus auf den Straßen beseitigen. Und die Hochschulen herausputzen. Und …

Wersich, der Mediziner und kulturaffine Feingeist, wird im nächsten Jahr aus jetziger Sicht nicht Bürgermeister werden. Und das könnte das Ende seiner Karriere sein. Zu falschen Zeit aus Parteiräson den falschen Job machen müssen – Politik ist eben kein Wunschkonzert.  SMV