Die „Null-Option“ ist durchaus denkbar

SICHERHEITSABKOMMEN Ohne ein neues Truppenstatut könnten die ausländischen Soldaten in Afghanistan vollständig abziehen

BERLIN taz | Abwarten und Tee trinken: Zu dieser in Afghanistan verbreiteten Einstellung sind derzeit die Planer des US-Militärs und anderer Nato-Staaten am Hindukusch verdonnert. Denn sie wissen schlicht nicht, was sie Ende 2014 erwartet.

Mit der beschlossenen Auflösung der International Security Assistance Force (Isaf) soll diese eigentlich in die circa 10.000 ausländische Soldaten starke militärische Ausbildungsmission Resolute Support umgewandelt werden. Doch ob es dazu wirklich kommt, hängt von der Unterzeichnung eines neuen amerikanisch-afghanischen Sicherheitsabkommens ab. Ein entsprechendes Statut für die Truppen der Vereinigten Staaten nach 2014 war schon im vergangenen Herbst unterschriftsreif.

Das Bilaterale Sicherheitsabkommen (BSA) soll die weitere Immunität der US-Soldaten regeln, dem US-Militär die Nutzung von neun Stützpunkten einräumen und GIs weiterhin umstrittene nächtliche Razzien in afghanischen Privathäusern erlauben, wenn diesen Gefahr für das eigene Leben droht. Die Große Ratsversammlung (Loja Dschirga) nahm die Vorlage im November 2013 an – doch dann verkündete Präsident Hamid Karsai, er werde das BSA nicht unterzeichnen, sondern dies seinem Nachfolger überlassen.

An einer Absprache mit den Vereinigten Staaten, die die meisten Truppen stellen sollen, hängen entsprechende Abkommen mit anderen Nationen. So wird auch Deutschland seine maximal 800 Soldaten und Ausbilder nicht entsenden, wenn das BSA nicht unterzeichnet wird.

Da nicht nur die BSA-Verhandlungen, sondern auch andere Absprachen in Afghanistan einem Pokerspiel gleichen, glaubt im Lande kaum jemand, dass die Vereinigten Staaten zum Jahresende wirklich komplett abziehen – auch wenn sie dies immer wieder behaupten und im Irak bereits vorexerziert haben. Washington wartet – nachdem die Versuche, eine Lösung mit Karsai zu finden, aufgegeben wurden – offenbar nun auf den 5. April, an dem der Nachfolger des Präsidenten gewählt werden soll.

Zwar lehnt keiner der elf Kandidaten BSA explizit ab – aber es gibt unter ihnen keinen Favoriten, was eine Stichwahl wahrscheinlich macht. Es könnte Sommer werden, bis der neue Präsident zur Unterschrift bereit ist. Für die Militärplaner wird das extrem knapp.

Der Isaf-Abzug und die damit verbundenen Unsicherheiten haben auch wirtschaftliche Folgen. Die Weltbank kam zu dem Ergebnis, dass der Rückgang des Wirtschaftswachstums von 13 auf 3 Prozent von 2012 bis 2013 bereits der unklaren Situation geschuldet ist. Dazu passt, dass aus dem grenznahen pakistanischen Peschawar seit einiger Zeit eine gestiegene Nachfrage nach Villen zur Aufnahme von Angehörigen der afghanischen Elite gemeldet wird. SVEN HANSEN