Kunstrundgang
: Meike Jansen schaut sich in den Galerien von Berlin um

Visual-Kidnapping: Augen auf! Oder beispielsweise www.werbeblogger.de/2006/08/03/vandalismus-street-art-oder-guerilla/

Neulich zappte ich in eine Doku über Harald Szeemann und bekam Kunst zu sehen, wie ich sie vermisse: ästhetisch, schlau, aussagekräftig, mit Erkenntnisgewinn. Annährend begeistert hat mich in diesen Sommerlochwochen lediglich ein handtellergroßer Stich Rembrandts: Der Sündenfall. Welch einen Spaß muss Rembrandt gehabt haben, in den puritanischen Niederlanden eine solch witzige wie kritische Darstellung dieser biblischen Geschichte zu schaffen. Adam und Eva gleichen einer Spezies Mensch, der man noch einiges verzeihen mag. Am Baum der Erkenntnis windet sich schlangengleich eine sagenhafte Echse, die an ein Wesen der chinesischen Mythologie erinnert. Von hinten kommt ein freundlich dreinschauender Elefant angetobt. Wunderbar ironisch! Gut, dass einige der Grafiken, die Rembrandt oft nur für sich skribbelte, nicht in die Hände der Falschen gerieten. Denn manch strengem Denker hätten seine kritischen Perspektiven wohl missfallen. Eine andere Art, das Sommerloch zu füllen, ist, Löcher zu schaffen. Visual-Kidnapping nennt sich das und ist gerade groß in Mode. Überall verschwinden Models und Produkte von Werbebannern. Auch die Verhüllung des Brandenburger Tors wurde durch diese Cut-out-Technik „veredelt“. Man kann sich vorstellen, dass je nach kreativem Potenzial sich die Toleranz der involvierten Firmen im Rahmen hält. Manche jedoch freut sich über zusätzliche Medienpräsenz. Handelt es sich also um Rückeroberung des öffentlichen Raums durch Künstler oder um eine mal mehr, mal weniger fruchtbare Symbiose von Kunst und Wirtschaft, Guerillamarketing oder Vandalismus? Vielleicht trösten da die Worte des Künstlers Dean J. Toumin aus der bereits erwähnten Doku: „Wenn du wissen, willst wo die Hölle ist, frag einen Künstler. Wenn du keinen Künstler finden kannst, bist bereits dort.“

Rembrandt – Ein Virtuose der Druckgraphik: bis 5. 11., Di–So 10–18, Do 10–22 Uhr, Kupferstichkabinett, Matthäikirchplatz 8