Schlucken statt kotzen

Auch die fünfte Verhandlungsrunde im Tarifstreit zwischen den Journalistengewerkschaften DJV und Ver.di und den Zeitungsverlegern wird keinen Durchbruch bringen: Eine neue Tarifpolitik ist gefragt

Von Thilo Knott

Der Tarifstreit zwischen den Zeitungsverlegern und den Journalistengewerkschaften ist beendet, obwohl morgen in Hamburg noch die fünfte Verhandlungsrunde ansteht. Zwar sprechen die Gewerkschaftsfunktionäre nach wie vor von einem Angebot an der „Grenze des Zumutbaren“, das der Bund Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) bei der letzten Verhandlungsrunde im Juli vorgelegt hat. Doch der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) wird das Angebot dem Vernehmen nach akzeptieren. Auch bei Ver.di, der zweiten Journalistengewerkschaft, rechnet man allenfalls noch mit ein paar Zehnteln hinter dem Komma beim Gehalt, die man in Hamburg herausholen könne.

Auf der Agenda der Gewerkschaften steht deshalb eher die Frage, wie Tarifpolitik künftig aussehen könnte. Der Frust über das jetzige Tarifergebnis ist ja nicht neu: Schon bei der Auseinandersetzung 2003/04, wo immerhin wochenlang tausende Journalisten die Arbeit niederlegten, wurden Einschnitte durch die Verleger nicht verhindert. Schon damals wähnten sich die Gewerkschaftsfunktionäre „hart an der Grenze des Vermittelbaren“.

Kleine Nachbesserungen

Bei der Gehaltserhöhung kann es also noch kleine Nachbesserungen geben zum BDZV-Angebot, das ein Prozent mehr Gehalt rückwirkend ab 1. August 2006 und 1,5 Prozent ab 1. August 2007 vorsieht. Ansonsten gibt es für die 14.000 Zeitungsredakteure bei einer dreijährigen Laufzeit nur eine Einmalzahlung von 350 Euro für das vergangene Tarifjahr – und erhebliche Einschnitte bei der Berufsjahresstaffel. „Ein Minus von fünf Prozent in einer 30-jährigen Redakteurslaufbahn“, rechnet Ver.di-Tarifsekretär Matthias von Fintel vor.

Spannender als die morgige Verhandlungsrunde in Hamburg wird es deshalb heute in Berlin, wo die Ver.di-Tarifkommission mit den Abordnungen aus den Landesverbänden tagt. Eine „angeregte und kritische Debatte“ erwartet von Fintel aus der Berliner Ver.di-Zentrale. Man könnte es auch Ärger nennen. „Es ist keine Tarifpolitik, wenn wir uns Jahr für Jahr von den Verlegern über den Tisch ziehen lassen“, ärgert sich Kommissionsmitglied Andreas Harthan, Betriebsratsvorsitzender beim Hohenloher Tagblatt im württembergischen Crailsheim.

Überhaupt scheint der Frust in Baden-Württemberg am größten zu sein. Dort hat man den einzigen Warnstreik überhaupt in der einjährigen Tarifauseinandersetzung organisiert. Ansonsten habe es keine Kampfbereitschaft gegeben, kritisiert Gerhard Manthey, Ver.di-Landesfachbereichsleiter Medien im Südwesten. „Auch wenn man verliert, muss man sich eine relative Niederlage erkämpfen“, sagt Manthey. Er kündigt an, dass alle fünf baden-württembergischen Mitglieder in der Ver.di-Tarifkommission gegen die Annahme des Verlegerangebots stimmen werden. Aber auch er rechnet damit, dass die Mehrheit bei Ver.di das Angebot „schlucken wird, obwohl man kotzen möchte“.

Der DJV hat in dieser Tarifrunde angedeutet, was eine Option sein könnte: die Regionalisierung der Tarifverhandlungen. Auch dieser Vorschlag kam aus Baden-Württemberg. Der DJV-Landesvorsitzende Karl Geibel hatte gedroht, die Tarifauseinandersetzung regional weiterführen zu wollen, sollte der BDZV kein akzeptables Angebot für alle Landesverbände machen. Der BDZV machte daraufhin ein neues Angebot, doch nach taz-Informationen hat es in Baden-Württemberg über diesen Schritt der Regionalisierung bereits ernsthafte Gespräche zwischen dem DJV und dem Verband Südwestdeutscher Zeitungsverleger gegeben.

Ein Aufständle

Dieses baden-württembergische „Aufständle“ deutet an, wie groß der Spagat ist, den der BDZV in einer zerklüfteten Verlegerlandschaft aushalten muss. Das „Verhandlungsmandat“ des BDZV ist ja ohnehin schon regional begrenzt: Viele ostdeutsche Verlage sind in den letzten Jahren aus dem BDZV ausgetreten, der morgige Tarifabschluss gilt somit eh nicht für sie. Doch nicht nur das Auseinanderdriften von West und Ost ist ein Problem. Das Nord-Süd-Gefälle unter den Verlegern ist mindestens genauso groß. „Den baden-württembergischen Verlegern geht es tendenziell besser als denen in Schleswig-Holstein“, sagt Thomas Schelberg, Geschäftsführer des DJV im Südwesten. Zudem gebe es noch eine breite Verlegerstruktur mit 60 selbstständigen Zeitungen. Anders als in Bundesländern, wo Großkonzerne wie Springer oder die WAZ dominieren. Baden-Württembergs Verleger seien deshalb auch „vernünftiger“, was Tarifabschlüsse angehe, heißt es.

Drohender Flickenteppich

Doch im Gewerkschaftslager gibt es auch Skepsis: Den Redakteuren droht ein „regionaler Flickenteppich“ statt des bisher einheitlichen Bundestarifs. Er sei „als Baden-Württemberger nicht abgeneigt“, sagt Ver.di-Mann Manthey. Doch gibt er auch zu bedenken: „Eine regionale Stärke sichert vielleicht für einige Jahre den bisherigen Standard, aber wenn es in den anderen Bundesländern an regionaler tariflicher Substanz bröckelt, sind auch die bisherigen Standards im Ländle nicht auf Dauer zu halten.“