DOMINIC JOHNSON ÜBER DIE SCHWIERIGE WAHRHEITSSUCHE IM KONGO
: Zeit für ein Kongo-Tribunal

Der vorab veröffentlichte UN-Untersuchungsbericht über die Kriegsverbrechen im Kongo von 1993 bis 2003 hat eine heftige Debatte ausgelöst. Sie zeigt, dass die Wunden der Vergangenheit im Afrika der Großen Seen längst nicht verheilt sind. Vor allem die Lobby der Täter des ruandischen Völkermordes nutzt sie, um die Verbrechen zu relativieren. Kein Wunder, dass Ruandas Regierung den Bericht schroff zurückweist, obwohl die erhobenen Vorwürfe nicht neu sind.

Die finstere jüngste Vergangenheit des Kongo verbietet einseitige Schuldzuweisungen. Es gibt niemanden, der kein Blut an den Händen hat. Aber nichts ist im Kongo bisher aufgearbeitet worden. Sprachlosigkeit ist die Devise, gepaart mit Selbstgerechtigkeit und anhaltender Brutalität.

Es lässt sich darüber streiten, ob der Bericht seinen Zweck erfüllt. Er reiht vor allem Tatsachenbehauptungen aneinander, ohne konkrete Quellen zu nennen; die Analyse bleibt oberflächlich. Wer den Kongo und die Region kennt, weiß, dass ein Gerücht von Dutzenden von Menschen als Wahrheit vertreten werden kann, während umgekehrt eine allseits bekannte Wahrheit allseits verschwiegen wird.

Umso wichtiger ist die zentrale Forderung nach einer Wahrheitskommission für den Kongo. In ihr sollte sich das ganze Land wiedererkennen, und sie müsste einen ähnlichen Status erhalten wie jene in Südafrika nach Ende der Apartheid.

Das wäre eine Aufgabe für die Vereinten Nationen, gemeinsam mit den führenden Menschenrechtskämpfern der Region. Kongos Regierung ist dazu nicht fähig, denn sie ist Partei.

Im Kongo gibt es überdies den Ruf nach einem internationalen Kongo-Tribunal, das endlich alle Verbrechen juristisch aufarbeitet. Die Regierungen, die auf die offizielle Veröffentlichung des Berichts Einfluss haben, sollten sich dafür starkmachen.

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