JUTTA LIETSCH ÜBER NEBENSACHEN AUS PEKINGMEGA-STAUS UND VERSTOPFTE STRASSEN ALS DAUERZUSTAND
: Schutz vor Parkplatzjägern

Erst erschien ein zweites Wachhäuschen, dann schlossen sich abends die Eisentore, die sonst immer offen standen. Jetzt blockiert auch noch eine Schranke die Einfahrt auf den Hof unseres Wohnblocks im Pekinger Sanlitun-Viertel. „Alles zu Ihrer Sicherheit“, sagt Wachmann Wang, der uns stets freundlich zuwinkt. Weil auch die Überwachungskameras rund um das Haus in den vergangenen Jahren immer mehr wurden, mochte ich diese Erklärung nicht recht glauben.

Aber als ich gestern gegen Mitternacht nach Hause kam und ein schläfriger Kollege Wangs Tore und Schranke umständlich öffnete, fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Wir sollen tatsächlich geschützt werden – und zwar vor der Invasion von all den dicken Autos, die hier auf Parkplatzsuche sind.

Bevor es die Pekinger in die Kneipen, Kinos und Geschäfte des immer populäreren „Sanlitun-Village“ an der sogenannten „Bar-Straße“ schaffen, müssen sie ihre Wagen abstellen. Viel Parkplätze gibt es nicht, also werden unorthodoxe Orte gefunden, Bürgersteige etwa. Auf denen stehen die Fahrzeuge quer, kein Mensch kommt an ihnen vorbei, und ich ertappe mich bei dem Gedanken, einfach über die Motorhauben zu klettern.

Unsere Wachleute verteidigen den Hof. Rund 1.900 Autos kommen täglich auf den Straßen Pekings hinzu, verstopfte Straßen sind Normalität. Der jüngste 100-Kilometer-Mega-Stau nördlich der Hauptstadt dürfte schon bald keine Ausnahme mehr sein.

Ich habe mein altes Beiwagen-Motorrad längst aufgegeben, es machte keinen Spaß mehr, denn ich blieb dauernd stecken und musste Tonnen von Autoabgasen einatmen. Bleibt die U-Bahn, doch die ist ebenfalls überfüllt und das Umsteigen umständlich.

Also fahre ich Fahrrad. Ich quetsche mich an den Schlangen vorbei, kurve um Autos, denn die Fahrradwege sind längst ebenfalls zugestellt. Besonders gefährlich wird es, wenn die Autobusse die Haltestellen ansteuern. Fahrradfahrer können nur noch die Flucht ergreifen.

Also hoffe ich, so lange zu überleben, bis ich endlich in das neue revolutionäre Gefährt steigen kann, das jetzt zur Lösung der Pekinger Verkehrsprobleme angekündigt wurde: ein „fliegender Bus“. Die Zeitungen haben bereits Bilder veröffentlicht. Sie zeigen ein seltsames Gebilde, das sich auf Stelzen fortbewegt, die wiederum auf Schienen beiderseits der Fahrspuren stehen. Solarstrom soll die Gefährte antreiben. Sollten die Pekinger wirklich das Allheilmittel gegen Verkehrstaus entdeckt haben?