Sarrazin legt nach, die Kritik wird lauter

BERLIN apn/taz | Durch Äußerungen über ein „bestimmtes Gen“, das alle Juden gemeinsam hätten, hat Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin die Auseinandersetzungen mit seiner Person am Wochenende noch einmal drastisch verschärft. Im Gespräch mit der Welt am Sonntag hat er seine These bekräftigt, muslimische Migranten integrierten sich überall in Europa schlechter als sonstige Einwanderergruppen. An anderer Stelle des Interviews sagte Sarrazin: „Alle Juden teilen ein bestimmtes Gen, Basken haben bestimmte Gene, die sie von anderen unterscheiden“, und mit den Worten: „Ich bin kein Rassist“, wies er zugleich alle Kritik von sich.

Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, warf ihm daraufhin „Rückgriff auf Elemente der Rassehygiene der Nazizeit“ vor. Selbst wenn dies von ihm nicht gewollt sein sollte, sei damit „endgültig eine rote Linie überschritten“. Graumann, der im November Nachfolger von Charlotte Knobloch an der Spitze des Zentralrats der Juden in Deutschland werden soll, warf Sarrazin vor, bei der Integration von Minderheiten Brücken abzureißen sowie Menschen zu verletzen und zu verunglimpfen.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) kommentierte in Bild am Sonntag: „Wortmeldungen, die Rassismus oder gar Antisemitismus Vorschub leisten, haben in der politischen Diskussion nichts zu suchen.“ Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) reagierte nicht minder heftig: „Jede Provokation hat ihre Grenzen. Diese Grenze hat der Bundesbankvorstand Sarrazin mit dieser ebenso missverständlichen wie unpassenden Äußerung eindeutig überschritten.“ Auch der scheidende hessische Ministerpräsident Roland Koch nannte die jüngsten Äußerungen Sarrazins unerträglich. „Damit stellt er sich völlig ins Abseits“, sagte der CDU-Politiker.

Wie zuvor Parteichef Sigmar Gabriel forderte am Sonntag auch der amtierende SPD-Fraktionsvorsitzende Joachim Poß im Gespräch mit der WAZ Sarrazin dazu auf, die Sozialdemokraten zu verlassen. Dieser lehnte jedoch einen Parteiaustritt entschieden ab. „Ich bleibe SPD-Mitglied bis an mein Lebensende“, betonte Sarrazin im Deutschlandfunk. Der Vorsitzende seines Berliner SPD-Kreisverbands Charlottenburg-Wilmersdorf, Christian Gaebler, sagte dagegen dem Spiegel: „Das Maß ist voll.“ Wenn der Exsenator nicht freiwillig aus der SPD austrete, „bereiten wir ein Parteiausschlussverfahren vor“.

Die stellvertretende Linken-Parteichefin Katja Kipping forderte eine überparteiliche Initiative zur Abberufung Sarrazins als Bundesbankvorstand. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast forderte den Vorstand der Bundesbank auf, „sich nicht im Gebüsch zu verstecken und endlich eine klaren Beschluss zur Ablösung zu fassen“. Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, forderte Angela Merkel in der Frankfurter Rundschau auf, ein Verfahren dazu einzuleiten.