Bahn bietet Gespräche an

STUTTGART 21 Nach der Massendemonstration vom Wochenende – mit 30.000 bis 50.000 Teilnehmern die größte überhaupt – unterbreitet die Bahn erstmals ein Gesprächsangebot, lehnt aber einen Baustopp ab

Oberbürgermeister Schuster warnt vor „verantwortungslosen Scharfmachern“

AUS STUTTGART NADINE MICHEL

Im Konflikt um das umstrittene Milliardenprojekt „Stuttgart 21“ könnte es erstmals eine Annäherung zwischen Gegnern und Befürwortern geben. Während am Freitagabend in Stuttgart erneut zehntausende Menschen auf die Straße gingen, um den Bau des unterirdischen Bahnhofs zu verhindern, sprach Bahn-Chef Rüdiger Grube eine Einladung zu einem runden Tisch aus. Daran sollen vor allem die Grünen und Vertreter von Bürgerinitiativen teilnehmen.

„Die Gesprächsbereitschaft von Grube kommt spät, aber nicht zu spät“, sagte der Fraktionsvorsitzende der Grünen im baden-württembergischen Landtag, Winfried Kretschmann. Er erinnerte daran, dass die Grünen vor Kurzem bereits ein Gespräch mit Grube und anderen politischen Vertretern der Befürworterseite angeregt hätten, was aber von diesen bisher „brüsk abgelehnt“ worden sei.

Grube gestand in einem Interview mit dem Südwestrundfunk ein, dass die Kommunikation rund um den Bau „sehr, sehr schlecht gelaufen“ sei. Für das Gespräch dürften keine Vorbedingungen gestellt werden, erklärte er. Einen Baustopp werde es während der Zeit nicht geben. Die Idee sei mit Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) abgestimmt, der sich an diesem Montag dazu äußern will.

Derweil wandte sich Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU) in einem offenen Brief an seine Stadt. Er habe Verständnis, dass Bürgerinnen und Bürger das Projekt „Stuttgart 21“ kritisch beurteilen und ihr Recht zu demonstrieren wahrnehmen. Weiter schreibt er jedoch: „Ich sehe mit Sorge, dass verantwortungslose Scharfmacher zur Radikalisierung beitragen.“

Von Radikalisierung war jedoch auch am Freitagabend bei der bisher größten Demonstration gegen das Bahnprojekt erneut nichts zu sehen. Trotz starken Regens hatten sich zunächst mehrere zehntausend zu einer Kundgebung am Bahnhof versammelt. Wobei sich selbst das Wetter sogar noch solidarisch mit den S-21-Gegnern zeigte. Als nach etwa einer Stunde die Sonne herauskam, legten sich zur Freude der Masse gleich zwei Regenbögen quasi schützend über das abrissgefährdete Bahnhofsgebäude.

Der Schauspieler Walter Sittler erklärte auf der Kundgebung, dass der friedliche, aber laute und ungehorsame Widerstand weitergehen werde. „Wir bleiben abgerüstet, obwohl die Landesregierung gegen uns aufrüstet“, sagte er. Der Stuttgarter Kunsthistoriker Matthias Roser bezeichnete Schuster als „Oberbürgermeister ohne Bürger“ und forderte dessen Rücktritt.

Den Rücktritt nicht nur von Schuster, sondern auch von Ministerpräsident Mappus forderte die Menge, nachdem sie vom Bahnhof zum Landtag gezogen war. Dort durchbrach sie die Bannmeile und lief bis vor das Gebäude, das daraufhin von Polizisten abgesichert wurde.

„Mappus raus“ und „Wir sind das Volk“ skandierten die nach Angaben der Veranstalter 50.000 Menschen. Immerhin 30.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer wollte die Polizei gezählt haben.