Sperriges für die Massen

TANZ Vom Insidertreff soll die „Tanzplattform Deutschland“ zum Publikumsfestival werden. Das soll mit zwölf zum Teil spröden Produktionen der letzten zwei Jahre gelingen

VON ROBERT MATTHIES

Das wichtigste deutsche Forum für zeitgenössischen Tanz, die „Tanzplattform Deutschland“, ist nach zwölf Jahren zum zweiten Mal in Hamburg zu Gast. Bei seiner elften Ausgabe auf Kampnagel soll aus dem international renommierten Insidertreffen nun auch ein großes Publikumsfestival werden. 200.000 Euro hat die Kulturbehörde dafür aus der Kultur- und Tourismustaxe spendiert, der Bund und Kampnagel legen gemeinsam noch einmal 340.000 Euro drauf.

Im Zentrum stehen bis Sonntag zwölf herausragende Produktionen aus den letzten zwei Jahren, die exemplarisch für unterschiedliche Spielarten, Formate und Tendenzen der hiesigen Tanzlandschaft stehen. An ein größeres Publikum richten sich dabei vor allem aktuelle Stücke international etablierter ChoreografInnen wie William Forsythe, Meg Stuart, Richard Siegal, Tino Seghal und VA Wölfl.

Leicht werden es ihre Produktionen beim breiten Publikum nicht haben, denn sie haben es in sich: Forsythes Arbeit „Sider“ etwa ist karg inszeniert und bleibt am Ende kryptisch. Deutungsvorschläge liefern der US-Amerikaner und seine Company für ihr Spiel mit Pappen, Wortfetzen und rätselhaften Szenen nicht. Nach der Uraufführung am Dresdner Hellerau herrschte denn auch vor allem Ratlosigkeit. Unklar bleibt schon, womit sich Forsythe da überhaupt auseinandersetzt: mit Hamlet, mit der vierdimensionalen Ontologie des Philosophen Ted Sider, mit Sprachphilosophie?

Auch Richard Siegals Soloperformance „Black Swan“ verlangt dem Publikum einiges ab. Eine Stunde lang rezitiert, singt, spricht und klagt der ehemalige Forsythe-Tänzer mit Vocoder-verzerrter Stimme Gedichte, tanzt in der Dunkelheit vor projizierten Texten und Videos. Einen Diskurs über das Wesen der Choreografie will er damit anstiften. Sein Publikum aber lässt auch Siegal vor allem ratlos zurück.

Leichter zugänglich ist Meg Stuarts Arbeit „Built to last“, die die US-Choreografin mit ihrer Company Damaged Goods für die Münchner Kammerspiele entwickelt hat. Um Repräsentationsformen des Monumentalen, um Aby Warburg’sche Pathosformeln geht es da zwei Stunden lang zu einem aus Stockhausen, Xenakis, Beethoven oder Schönberg zusammengebastelten Soundtrack. Mit Tics, Ausbrüchen und katatonischen Versteifungen verschieben die fünf Tänzerinnen die Optik des Monumentalen dabei mal ins Lächerliche, mal ins Monströse und Unheimliche.

Auch der Nachwuchs und die lokale Szene bekommen im Rahmen der Tanzplattform Raum, sich zu präsentieren. „Swoosh Lieu“ etwa, ein Zusammenschluss von AbsolventInnen der Angewandten Theaterwissenschaften in Gießen, probt in „The Factory“ die Besetzung des Produktionsortes Fabrik als temporäre Aneignung. Das Nachwuchsprogramm „Pitching“ bietet außerdem zehn jungen ChoreografInnen die Möglichkeit, sich zwanzig Minuten lang einem internationalen Fachpublikum zu präsentieren.

Eine Woche vor der Tanzplattform sowie in den Wochen danach präsentiert sich schließlich die „Tanzstadt Hamburg“ mit einer Reihe von Uraufführungen und Kooperationsprojekten der lokalen Szene. Bei den „Open Days“ öffnen zudem eine Reihe von Tanzinstitutionen der Stadt vom Bundesjugendballet bis zur Tanzinitiative ihre Türen für einen Blick hinter die Kulissen.

■ Mi, 26. 2. bis So, 2. 3., Kampnagel