Abschied vom schnellen Abitur

SCHULPOLITIK

Das war ein Paukenschlag: Niedersachsen wird wieder ganz zum neunjährigen Abitur (G9) zurückkehren. Das verkündete SPD-Kultusministerin Frauke Heiligenstadt in dieser Woche. Wie genau der „Systemwechsel“ aussehen und ab wann er greifen soll, ließ die Ministerin offen. Nur so viel wurde bekannt: Lernschnelle Schüler sollen weiterhin die Möglichkeit haben, eine Klasse zu überspringen. Die Rückkehr zum G9 könnte Teil einer großen Novelle des niedersächsischen Schulgesetzes werden, die für August 2015 angekündigt ist.

Damit griff die Ministerin den Ergebnissen einer Expertenrunde aus Lehrern, Schülern und Eltern vor, die Modelle prüfen sollte, wie das 2004 eingeführte Turbo-Abitur verändert werden soll. Im Gespräch war beispielweise ein paralleles Angebot von G8 und G9 – Y-Modell genannt – wie es an einigen Gymnasien Schleswig-Holsteins angeboten wird. Doch das gilt in den Kultusverwaltungen als zu kompliziert.

Dass es überhaupt zu einer Änderung kommt, ist auf die Wahlversprechen der früheren Oppositionspolitikerin zurückzuführen: „Wir haben immer kritisiert, dass das Turbo-Abi für große Probleme sorgt“, sagt Heiligenstadt. Ein großer Proteststurm hob 2009 an, als die CDU/FDP-Vorgängerregierung auch den Gesamtschulen die kurze Lernzeit aufzwingen wollte. Diese Pläne hatte die Ministerin bereits gestoppt.

Hoffnung schöpft nun die Hamburger Volksinitiative „G9-HH-Jetzt“, die auf dem Weg eines Volksentscheids die längere Schulzeit durchsetzen möchte und derzeit mit der regierenden SPD über eine Lösung verhandelt. „In Niedersachsen hat man verstanden: Die SPD Regierung dort nimmt den Elternwillen ernst“, sagt Sprecherin Mareile Kirsch. Allerdings hat Hamburg den Eltern stets eine Alternative gelassen. Dort können Eltern, die ihre Kinder länger lernen lassen wollen, diese zur Stadtteilschule anmelden. Doch immer weniger Eltern von Kindern mit Gymnasialempfehlung machen davon Gebrauch. Die Kampagne für das G9 fördert in der Hansestadt das Stadtteilschul-Bashing.  KAJ