Einfach weggucken reicht nicht

AUF DEM STRICH Die Legalisierung von Prostitution wird Menschenhandel und Ausbeutung nicht aus der Welt schaffen, ein Verbot auch nicht. Was aber ist eine realistische Alternative?

Eine zu klärende Grundfrage lautet: Ist Prostitution an sich eine Menschenrechtsverletzung, wie es die BefürworterInnen eines Verbots prostulieren – oder doch nur ein spezieller Beruf?

VON HEIDE OESTREICH

Alice Schwarzer hat die Debatte kräftig angeheizt: Deutschland diskutiert über Prostitution. Kann man diesen Beruf ausüben, ohne Schaden zu leiden? Sollte Prostitution abgeschafft werden, wie es der von vielen Prominenten unterschriebene Aufruf Schwarzers fordert? Ist die Legalisierung in Deutschland der falsche Weg?

Nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa diskutiert. Der Grund: Die Arbeitsbedingungen der Prostituierten sind überall schlecht. Zwangsprostitution, Menschenhandel und Ausbeutung sind Phänomene, die durch Ignoranz nicht verschwinden – und das ist schon das ganze Problem: Denn auch, wer den Sexkauf verbietet, ist das Problem nicht los. Schweden etwa rühmt sich eines Sexkaufverbots, aber wer nach „Stockholm“ und „Escort“ sucht, wird schnell und einschlägig fündig. Aber auch die Länder, die kein Verbot wollen, müssen sich stattdessen etwas überlegen, wie ausgebeutete Huren mehr durchsetzbare Rechte erlangen können.

Weder die legalisierte noch die illegalisierte Prostitution hat bisher die Probleme gelöst. Aber welcher Weg ist vielversprechender? Wir gucken uns das schwedische Modell genauer an und diskutieren über Alternativen. Dabei muss die Grundfrage geklärt werden: Ist Prostitution an sich eine Menschenrechtsverletzung, wie es die BefürworterInnen eines Verbots postulieren? Oder doch nur ein Beruf? Ein Beruf wie jeder andere ist sie sicher nicht, aber ein Spezialberuf? Würde eine Zertifizierung der Bordelle etwas nützen? Kann man die Prostitution stärker reglementieren? Nützt das etwas? Schließlich schätzen viele Prostituierte an ihrem Beruf, dass er heimlich und im Verborgenen und nicht zuletzt weitgehend schwarz stattfindet.

Eingeladen haben wir schwedische Expertinnen, die Erfahrungen mit dem Sexkaufverbot diskutieren, Cathrin Schauer von der Beratungsstelle „Karo“, die an der tschechischen Grenze Prostituierte betreut und für ein Sexkaufverbot ist – und Jan Visser aus den Niederlanden, der lange für die Selbsthilfeorganisation „De Rode Draad“ gearbeitet hat und Erfahrungen mit Alternativen wie einer Zertifizierung gemacht hat. Denn eins ist klar: weggucken reicht nicht.

Heide Oestreich, Jahrgang 1968, ist seit 1999 Redakteurin für Geschlechterpolitik im Innlandsressort der taz. 2009 wurde sie mit dem Preis „Der lange Atem“ des Journalistenverbands Berlin-Brandenburg für ihre Berichterstattung über Geschlechterstereotype ausgezeichnet. Gemeinsam mit Kollegin Simone Schmollack organisiert sie für das diesjährige taz.lab das Panel zum Thema Prostituion