Was wohl aus ihnen geworden ist

VOLKERKUNDE Sie hießen Dob Dobberstein And The Four Dobs, Chubby Hermann oder Hotte Lippok, und sie spielten Beat: Die Ausstellung „Generation B“ lässt im Kreuzberg Museum eine untergegangene Ära wiederauferstehen

Der spätere Schlagerkasper Frank Zander spielte 1965 in gut sitzender Manchesterhose bei The Gloomys

VON JENNI ZYLKA

Dob Dobberstein and The Four Dobs zogen bestimmt alle bekannten Mitmachregister. Damals, als sie auftraten im Top-Club atelier 13 am Kottbusser Damm. Trotzdem war der jugendliche Rock-’n’-Roll-Fan nicht begeistert: „Mit der Show, das haute auch nicht so recht bei den Herren hin, die man eher hinter dem Schalter einer Sparkasse vermutet hätte, als auf einer Rock-’n’-Roll-Bühne. Ich verlor die Lust am Abhotten“, notierte er spitz.

Das atelier 13 gibt es nicht mehr, heute residiert dort „Restposten aus London“. Aber auf dem Schwarz-Weiß-Foto werden die Sixties wieder lebendig: Man sieht ein paar Anzugträger mit gewichtigen schwarzen Hornbrillen, einer dicklich, einer ein langes Elend, die mitsamt Instrumenten Faxen machen. Skiffle und Rock ’n’ Roll waren 1962 gerade erst angekommen in Berlin, das die fünfziger Nachkriegsaufbaujahre mit Ach und Krach überstanden hatte und die Sechziger mit dem Mauerbau begrüßte. Man ahnte nur, was das bedeutete. Doch um die Ecke, ein paar Schautafeln weiter, lauerte schon die Explosion.

Bemerkenswerte Phase

„Generation B“, im Untertitel „Die 60er Jahre – Beat in Berlin“, heißt die Ausstellung, die das „Berliner Rock & Pop Archiv“ im Kreuzberg Museum zeigt. Lutz T. Manthe, der das Archiv seit über 20 Jahren mehr oder weniger ehrenamtlich betreibt, und Willi Witkowski haben ihre über die Jahre gewachsene Sammlung aus Bild, Text und Ton durchgesehen, sie haben nach verschollenen Bandnamen geforscht, haben versucht, Rechte zu klären und Singles aufzutreiben, um auch dem stetig wachsenden Teil der Welt, der die Zeit nicht aktiv miterlebt hat, diese bemerkenswerte Phase zu erhalten.

Eine Phase, in der die Musik fast komplett von Männern gemacht wurde, die sich auch noch beispielsweise „Chubby Hermann“ nannten, obwohl sie eigentlich Volker hießen und schlank waren. Oder „Ecki Pfister“. Oder „Hotte Lippok“ – was aus denen nur wurde?

Manthe weiß fast zu jedem der Fotos, die, chronologisch geordnet und mit erklärenden oder narrativen Texten versehen, durch die Ausstellung führen, etwas zu sagen. Er weiß, dass Chubby Hermann nie chubby (feist) wurde und immer noch Hobbymusik macht. Dass die hübsche Ute Kannenberg, eine von zwei aktiven Sängerinnen der frühen Sechziger, als Veranstalterin in der Jazzszene aktiv ist. Dass der Schlagerkasper Frank Zander, der 1965, in gut sitzender Manchesterhose, bei The Gloomys mitspielte, seine Beat-Vergangenheit etwas stiefmütterlich behandelt. Und dass The Boots zwar eigentlich die beste, die Lords aber die erfolgreichste und originellste Berliner Band dieser Zeit waren.

Zwischen den Bandfotos und Texten kleben Flyer und Ankündigungen: Beim „Tanz mit The Tories“ konnte man 1965 die „erste Vox-Verstärkeranlage in Berlin“ bestaunen, und den im selben Jahr stattfindenden „Voilà – das ist dufte“-Musikwettbewerb gewannen die Hound Dogs. Trostpreis: „pro Person eine Flasche Sekt“. Man erfährt naturgemäß weniger, aber Spannendes über die ebenfalls vorhandene Beatszene in Ostberlin, während im Hintergrund 7“ für 7“ auf den Plattenteller einer Wurlitzer fallen, und Didi & His ABC-Boys „Hello Susann“ zum Originalarrangement von „It Won’t Be Long“ von den Beatles singen.

Die Ausstellung endet mit einer Tafel über die gütlich bekannten, umtriebigen „Umherschweifenden Haschrebellen“, also mit den Anfängen des nächsten, besser archivierten Jahrzehnts, für das Berlin in jeder Beziehung noch viel berühmter wurde. Und welches, wenn alles gut geht, Thema der nächsten Ausstellung sein wird.

Man kann „Generation B“ als Ansammlung von guter und viel schlechter Musik, von wichtigen und vielen unwichtigen Fakten nostalgisch, subjektiv oder unvollständig finden. Charmant ist die Ausstellung allemal, dazu von größerer Bedeutung, als es scheint: Wie sonst sollen kulturelle und andere Zeugnisse aus prädigitalen Epochen weitergetragen werden?

Geschichte digitalisieren

„Wir beginnen zwar damit, alles zu digitalisieren“, sagt Manthe. Aber natürlich ist das extrem arbeitsintensiv und überfordert das Archiv, das sich nahezu ohne Zuwendungen aus dem Senatskulturtopf mehr schlecht als recht mit Minijobmitarbeitern behilft. Einen neuen Hauptsitz hat man auch noch nicht, erzählt Manthe und weist auf andere, funktionierende Stadt-Musikarchive wie in Gronau oder München hin – und auf die Perspektive, das Berliner Rock- und Poparchiv auszubauen zu einer wichtigen Recherchemöglichkeit für alle, die sich für Musik interessierten. Egal ob man Material zu David Bowies wilden Schöneberger Jahren oder zur letzten Element-of-Crime-Tour sucht.

Am 10. September werden viele noch aktive Berliner Musiker dieser Zeit, chubby oder nicht, erstmals wieder zusammenfinden, um im Festsaal Kreuzberg als „Berlin Beat Allstars“ im Rahmen der Ausstellung zu spielen. In den gestandenen Männern die smarten Typen mit den engen Hosen, den süßen Jungsgesichtern und dem unglaublichen Haarputz von den Fotos zu erkennen wird dabei garantiert genauso spannend und rührend wie das Konzert.

■ „Die 60er Jahre – Beat in Berlin“. Bis 7. 11., Mi.–So. 12–18 Uhr, Kreuzberg Museum, Adalbertstraße 95A