Der Fels des Stoizismus

Andrei Andrejewitsch Gromyko hat sie alle überlebt. Die stalinistischen Gräuel, vier KPDSU-Chefs, jede Menge dramatischer politischer Wendungen; von Chruschtschow bis Gorbatschow diente er geschmeidig als Außenminister der Sowjetunion – fast 30 Jahre lang.

Auch Joseph Fouché war ein Meister des political survival. Antiklerikaler, Mordbengel der französischen Revolution, Intrigant, Polizeiminister Napoleons, Monarchist – er starb tatsächlich eines natürlichen Todes.

Und nun Kalle Ruch. Wen sah man an diesem Felsen des Stoizismus nicht alles zerschellen? Fundis, Legastheniker, Stadtindianer, Kiffer, Autonome, Feministinnen, Fernsehhasser, Veganer, Soli-Gruppen, Waffenspender, Hausbesetzer, Stasispitzel, Revolutionsträumer, Kapitalisierer, Bombenleger, Autozündler, Christen, Steuerfahnder, Atomkraftgegner, Klimaleugner, Leitartikler, Schaumschläger, Nudisten, Comiczeichner, Chefredakteure, Gottgläubige, Heulsusen, Kantinenköche, Schwarzfahrer, Traumtänzer, Korinthenkacker, Polizisten, Feuilletonisten, Schlauberger, Hypochonder, Terroristen, Pazifisten, Castorblockierer, Realos Sie alle kamen in die „taz“ – und gingen wieder. Einer blieb. Länger als Gromyko. Beachtliche Leistung. Hut ab! Norbert Thomma

■ Norbert Thomma alias Herr Thömmes, CR taz 95/96