An der kurzen Leine der Politik

BBC Die Mutter aller öffentlich-rechtlichen Anstalten fühlt sich gleich doppelt verfolgt: von Rupert Murdochs expandierendem Pay-Sender BSkyB und von der neuen Regierung, die die Rundfunkgebühren senken will

„Murdochs Pay-Sender wird immer mehr zur bestimmenden Kraft im Rundfunk“

BBC-CHEF MARK THOMPSON

VON STEFFEN GRIMBERG

Wenn ARD und ZDF in Deutschland ins Schwärmen geraten wollen, schweift ihr Blick gern zur BBC. Die British Broadcasting Corporation, Mutter aller Öffentlich-Rechtlichen, darf nämlich so viel mehr als die deutschen Anstalten: schwer kommerziell tätig sein (über die Tochter BBC Worldwide) – und sich vor allem im Netz ganz anders tummeln.

Nicht weniger als „Building digital Britain“, der Aufbau des volldigitalisierten Britanniens, ist bei der BBC seit Jahren Programmauftrag, Internet inklusive. Das ist Labsal auf die Seelen deutscher IntendantInnen, die gerade einen großen Teil ihres Onlineangebots wegen der restriktiven Spielregeln in Deutschland abschalten müssen.

Dabei klammern die ARD- und ZDF-Gewaltigen allerdings gern aus, dass die BBC mit einem entscheidenden Nachteil fertig werden muss: Sie läuft an der kurzen Leine der britischen Politik. Denn ihre Gebühren werden nicht von einer unabhängigen Kommission nach den Bedarfsanmeldungen der Sender festgesetzt, sondern vom britischen Parlament nach der jeweiligen politischen Großwetterlage. Die ist derzeit vom drakonischen Sparzwang der neuen liberalkonservativen Koalition bestimmt – und führte am Wochenende zum großen Schlagabtausch. Während BBC-Chef Mark Thompson beim Edinburgh Television Festival die Wichtigkeit der BBC verteidigte und das unkontrolliert expandierende Medienimperium von Rupert Murdoch scharf kritisierte, beschied der zuständige Medienminister Jeremy Hunt der Anstalt, sie möge sich lieber auf drastische Einschnitte einstellen.

Teil der Regierung?

Der Unterschied ist augenfällig: Den deutschen Sendern sind auch bei der 2013 anstehenden Reform des Gebührenmodells die gleichen Zuwendungen (knapp 7,5 Milliarden Euro) garantiert. Hunt zeigte der BBC dagegen, wo der Hammer hängt: In Edinburgh verglich er die BBC mit einem Regierungsressort. Diese sollten ja nun ein Viertel ihrer Budgets einsparen – und auch die BBC müsse endlich „begreifen, dass sie auf demselben Planeten lebt“.

Zwar sei die BBC keine Regierungsbehörde, aber als öffentlich-rechtliche Anstalt nur „eine Armlänge davon entfernt“, sagte Hunt. 2011 wird die BBC-Gebühr neu vom Parlament festgesetzt – derzeit liegt sie bei umgerechnet 4,3 Milliarden Euro. Dass es auch bei dieser Höhe bleibt, darauf mochte sich Hunt „kategorisch nicht festlegen“.

Die BBC müsse dagegen mehr „Verständnis für ihre privaten Konkurrenten“ zeigen und ihre eigenen Aktivitäten „klarer begrenzen“. Hunt: „Wir müssen den Markt so absichern, dass private Wettbewerber nicht plötzlich von einer Wand aus Gebührengeldern zerquetscht werden.“

Aus Sicht des BBC-Chefs stellt sich die Lage natürlich ganz anders dar: Denn nicht die BBC, sondern Murdochs Pay-TV-Plattform BSkyB werde „immer mehr zur bestimmenden Kraft im britischen Rundfunk“, konterte Mark Thompson in Edinburgh. Mit einem Umsatz von umgerechnet knapp 6 Milliarden Euro hat BSkyB die BBC in der Tat deutlich überholt. Anders als die BBC investiere BSkyB aber nicht genug Geld ins Gesamtprogramm, sondern gebe nur große Summen für Nachrichten und Sportrechte aus, sagte Thompson und schlug vor, dass BSkyB künftig für die über seine Pay-Plattform mitverbreiteten Programme der privaten Free-TV-Sender wie ITV bezahlen solle. So könnten diese wenigstens einen Teil ihrer Werbeausfälle während der jüngsten Medienkrise wettmachen.

Beliebtheit der BBC

Eine Abschaffung der Rundfunkgebühren, wie sie erst Anfang August wieder das neoliberale Adam Smith Institute propagiert hatte, sei jedenfalls im Land nicht durchsetzbar, so Thompson: „71 Prozent der Bevölkerung sagen, es sei gut, dass es die BBC gibt.“ Zwar würden neoliberale „Puristen seit einer Generation das Lied von der Abschaffung der Rundfunkgebühr singen“, sagte der BBC-Chef, „aber die Öffentlichkeit stimmt heute sogar weniger mit ein als zu Anfang dieser Kampagne.“

Und was die Regierung angeht, sei er jedenfalls „bereit für den Kampf“. Man wünschte sich hierzulande eine ähnliche Umfrage zur Beliebtheit von ARD und ZDF – und von den IntendantInnen solch offene Worte.