LIEBESERKLÄRUNG
: Deutsches Brot

UNSER BROT SOLL INS UNESCO-KULTURERBE-VERZEICHNIS AUFGENOMMEN WERDEN – EIN ÜBERFÄLLIGER SCHRITT

Wenigstens beim Brot kann der Deutsche noch stolz sein, Deutscher zu sein. Die hiesige Backkultur haben selbst die Nazis nicht kaputt gekriegt. Mit dem Brot ist es wie mit Wagner-Opern, die ihren prominenten Fan Adolf H. auch überraschend gut überstanden haben: Der Laib ist ein Spiegel der deutschen Seele. In der dichten Textur, im Ballaststoffreichtum, der schieren Vielfalt – 3000 Sorten! – fühlt der Deutsche sich in seiner Komplexität und Tiefgründigkeit erkannt. Deutsches Brot liegt auch mal schwer im Magen – Hauptsache, es ist nicht eindimensional, oberflächlich.

Das sind ja schon alle anderen.

Insofern erscheint eine Aufnahme der deutschen Brotkultur ins Unesco-Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes unumgänglich. Zwar fällt die endgültige Entscheidung erst 2016, aber wenn man bedenkt, was sonst schon so auf der Liste steht – das Krabbenfischen auf Pferden in Belgien, der argentinische Tango, die französische Esskultur –, kann die Aufnahme nur eine Formsache sein. Auch die innerdeutsche Konkurrenz um einen Listenplatz – rheinischer Karneval, eine mündliche Erzähltradition aus Thüringen, Kratzputz an historischen Fachwerkhäusern – ist faktisch keine.

Deutsches Brot ist größer. Deutsches Brot ist eine internationale Erfolgsgeschichte. Weltweit sind die German bakeries Außenposten deutscher Kultur wie die Goethe-Institute. Heimweh ist ihr Geschäft. An diesen Oasen inmitten der Weißbrotwüsten laben sich ausgehungerte Auswanderer wie distinktions- und/oder gesundheitsbewusste Einheimische. Ein vollwertiger Ersatz aber sind selbst die German bakeries nicht, deren Backstuben allzu oft noch keinen Deutschen gesehen haben. Ist am Ende das Versagen Deutschlands als Kolonialmacht dadurch zu erklären, dass deutsches Brot nirgendwo so gut schmeckt wie in Deutschland? DAVID DENK