Illegal, weil undurchsichtig

Gaspreis-Streit: Delmenhorster Stadtwerke unterliegen vor Gericht – weil sie sich weigerten, Kalkulationen offenzulegen. Der Verweis auf „marktübliche Preise“ reiche nicht, so die Amtsrichterin

von ARMIN SIMON

KundInnen der Stadtwerke Delmenhorst (SWD) zahlen seit Jahren einen um bis zu 42 Prozent überteuerten Preis für Erdgas. Zu diesem Schluss kam jetzt das Delmenhorster Amtsgericht in einem stellvertretend für ein Dutzend Klagen geführten Musterprozess. Es erklärte die letzten drei Preiserhöhungen der SWD für „unbillig und unwirksam“. Geklagt hatten zwei KundInnen, die vom Delmenhorster Gaspreis-Forum unterstützt wurden. Die Stadtwerke, zu 100 Prozent in Besitz der Stadt Delmenhorst, kündigten an, gegen das Urteil in Berufung zu gehen.

Hat die Rechtsauffassung der Delmenhorster Amtsrichterin Bestand, gälten in der Stadt vor den Toren Bremens weiterhin die Gaspreise von September 2004. Damals verlangten die Stadtwerke netto 3,18 Cent pro Kilowattstunde Gas. In der Zwischenzeit erhöhten sie den Preis in drei Stufen auf netto 4,52 Cent – ein Plus von mehr als 42 Prozent.

Preiserhöhungen, so Kläger-Anwalt Kyrulf Petersen, „wären dann ohne vorherige Vorlage einer nachprüfbaren Kostenkalkulation nicht durchsetzbar.“ Nach Angaben des Gaspreis-Forums haben bereits 2.000 Delmenhorster GaskundInnen Widerspruch gegen die Preiserhöhungen eingelegt. Die SWD beschlossen im April auf einer Sondersitzung, zunächst bis Oktober auf weitere Preiserhöhungen zu verzichten. Ob diese Zusage auch darüber hinaus Bestand hat, wollten sie gestern nicht sagen.

Im Gegensatz etwa zum Bremer Landgericht, das im Mai die letzten vier Preiserhöhungen des Bremer Versorgers swb AG allein unter Verweis auf die ungültige Preisanpassungsklausel für nichtig erklärte, war das Delmenhorster Amtsgericht durchaus gewillt, die Angemessenheit der SWD-Preise an sich zu überprüfen. Allein: Statt der vom Gericht geforderten vollständigen Kalkulation legten die SWD bloß einen Vergleich mit anderen Versorgern vor, demzufolge ihre Gaspreise bundesweit im Mittelfeld und damit „im Rahmen des marktüblichen Preises“ lägen. Und ein selbst bestelltes und bezahltes Gutachten sollte belegen, dass die Preissteigerungen allein auf gestiegene Einkaufspreise zurückzuführen seien.

Damit ließ sich die Amtsrichterin nicht abspeisen. „Aufgrund der Monopolstellung der SWD in Delmenhorst existiert kein Markt, in dem sich ein Preis für Erdgas bilden kann“, unterstrich sie. Das SWD-Argument der „Marktüblichkeit“ laufe daher ins Leere. Vielmehr müsse die Preisgestaltung des Monopolisten „durch Veröffentlichung der maßgeblichen Fakten für den Abnehmer nachvollziehbar sein“. Die SWD hätten insofern die „Verpflichtung zur Offenlegung der Preiskalkulation“. Insbesondere müssten sie „substanziiert vortragen, inwieweit der geforderte Gaspreis zur Deckung der Kosten der Gaslieferung und Erzielung eines im vertretbaren Rahmen liegenden Gewinns dient“.

SWD-Geschäftsführer Hans-Ulrich Salmen hatte dem Gericht gegenüber schriftlich versichert, dass die Stadtwerke mit ihren Gas-TarifkundInnen keinen Gewinn erwirtschafteten. Sowohl die Busse in Delmenhorst als auch das Wellnessbad Delfina, beide zu den Stadtwerken gehörig, werden allerdings mit Gewinnen der anderen Sparten quersubventioniert. Neben dem Gas- ist das vor allem das Wassergeschäft – und damit, so Anwalt Petersen, „darf man eigentlich auch keinen Gewinn machen“.