KONJUNKTURZYKLUS UND LEGISLATURPERIODE DECKEN SICH NICHT
: Merkels Glück, nicht ihr Verdienst

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla hält die konjunkturelle Erholung des Sommers 2006 für „Merkels Aufschwung“. Hinter dieser Propaganda-Phrase steckt Arroganz: Die These vom ökonomischen Erfolg der Kanzlerin Angela Merkel ist ähnlich realitätsnah wie die kühne Behauptung des SPD-Kandidaten Gerhard Schröder vom Juli 1998, der Aufschwung der New Economy, der damals nach den USA auch Deutschland zu erfassen begann, habe mit seiner künftigen Kanzlerschaft zu tun.

Die Weltwirtschaft und der Konjunkturzyklus nehmen wenig Rücksicht auf die nationale Politik. Was die Hoffnung auf größere Investitionen und weniger Arbeitslose angeht, haben beispielsweise die Steuersenkungen der rot-grünen Regierung wenig Unmittelbares bewirkt. Erst jetzt leisten die damaligen Gesetze einen – eventuellen und kaum bestimmbaren – Beitrag zur wirtschaftlichen Erholung. Das ist Merkels Glück, aber nicht ihr Verdienst. Ihre bisherige neunmonatige Regierungspraxis war für negative oder positive Auswirkungen auf die Konjunktur viel zu kurz. Und die These, die psychologische Ausstrahlung einer wirtschaftsfreundlichen Regierung wirke sich belebend auf die Unternehmen aus, enthält den Wahrheitsgrad einer Bauernregel.

Meist ist die Politik nur in der Lage, die Ufer des ökonomischen Stroms zu begradigen – auf den Regen in den Bergen hat sie keinen Einfluss. Gegenteilige Behauptungen, etwa die christdemokratische Inbesitznahme der Konjunktur, spiegeln kaum mehr als die Allmachtsfantasien mancher Politiker. Werden diese aber von der Wirklichkeit so eindrucksvoll widerlegt wie im Falle der kontraproduktiven Arbeitsmarktreform Hartz IV, schieben die Propagandisten ihre Erfolglosigkeit dem politischen Gegner in die Schuhe oder verweisen auf mystische Mächte – wahlweise Sozialschmarotzer, Bürokraten und unpatriotische Unternehmer.

Die Bundesregierung, gerade erst ins Amt gekommen, hat noch nichts Bedeutendes unternommen und reklamiert trotzdem schon den großen Erfolg für sich. Ernst zu nehmen ist sie nicht. Und so ist zu vermuten, dass sie auch weltfremd bleibt, wenn es um die Analyse von Misserfolgen geht.

HANNES KOCH