Rot-grüne Rangeleien in München

In der bayerischen Hauptstadt verärgern die Grünen ihren Koalitionspartner: Sie stimmen fürs Autowaschen am Sonntag und missbilligen den Verkauf von Kreuzen. SPD-Chef empfindet sie als „echte Belastung“. Koalition wohl trotzdem nicht gefährdet

AUS MÜNCHEN MAX HÄGLER

In der rot-grünen Münchner Rathausregierung kriselt’s kräftig. Der Auslöser war das Bekenntnis der einstigen Fahrradfahrerpartei fürs Auto. Im Juli stimmte der Stadtrat über eine Sonntagsöffnung von Autowaschanlagen ab – und seit dem Sieg der Auto fahrenden Jamaika-Koalition von CSU, FDP und Grünen dürfen Tankstellen ihre Reinigungsmaschinen durchlaufen lassen. Bei den Roten war man einigermaßen „verwundert“. Seit beinahe 16 Jahren regieren die beiden Parteien ohne Unterbrechung die bayerische Landeshauptstadt, und immer wieder gab es inhaltlich Ärger – aber selten wurde so viel gestritten wie jetzt.

Der nächste Eklat kam Ende Juli: Während die SPD ihre sozialpolitische Fraktionssprecherin auf den Posten der Jugendamtschefin hieven wollte, stimmten die Grünen gemeinsam mit ihren Jamaika-Kollegen für die Kontrahentin. Eine „echte Belastung“ sei das Abstimmungsverhalten der Grünen, schimpfte hernach der bayerische SPD-Chef Franz Maget. Der rote Rathausfraktionschef Helmut Schmid prophezeite mit Blick auf den bis zum April 2008 laufenden Koalitionsvertrag „belastende eineinhalb Jahre“.

Bei der Jugendamtswahl hatte der Münchner SPD-Oberbürgermeister Christian Ude noch die Hand über den kleinen grünen Koalitionspartner gehalten. Er könne die Wut und den Unmut seiner Genossen bei dieser Sachentscheidung nicht verstehen. Seit letzter Woche aber ist Udes Kuschelkurs beendet. Grüne und Rosa Liste wollten in einer Stadtratsanfrage wissen, ob der Verkauf von päpstlich gesegneten Kreuzanhängern in den Räumen der Stadtsparkasse nicht die „weltanschaulich-religiöse Neutralität“ verletze. Noch am selben Tag gab der OB eine erboste Antwort: Er könne es nicht fassen, dass im Namen einer Fraktion des Stadtrats der Versuch unternommen wird, die katholische Kirche „aus der Stadtgesellschaft auszugrenzen.“

Der grüne Fraktionschef Sigi Benker sagte der taz dazu: „Das war eine Überreaktion von Ude, die wir nicht erwartet hatten.“ An sich sei Rot-Grün zwar ein guteingespieltes Team, aber es sei eben manchmal notwendig, eigene Entscheidungen zu treffen. „Denn es gibt bei der SPD immer wieder das Flashback, dass die denken, wir seien Jusos.“ Im Übrigen, so Benker, suche sich der Koalitionspartner auch seine Mehrheiten immer mal wieder abseits der rot-grünen Grenzen.

Dass die Koalition durch die zunehmende Profilierung der Grünen scheitert, kann sich aber auch die SPD mangels Alternative nicht vorstellen. „Die CSU redet zwar das Ende herbei“, sagte SPD-Stadtrat Nikolaus Gradl der taz, „aber mit denen gibt es bei wesentlichen Inhalten keine Übereinstimmung.“

Anders ist das in Berlin: Kurz vor der Senatswahl im September gibt es dort ähnliche, aber handfester geführte Klagen. „So wie die Grünen-Fraktion sich im Abgeordnetenhaus benimmt, ist sie nicht regierungsfähig“, motzte in dieser Woche der parlamentarische Geschäftsführer der Berliner SPD-Fraktion.