Kassenpatienten warten länger

Umfrage ergibt: Nur jeder Dritte kommt innerhalb einer Viertelstunde an die Reihe. Funktionäre räumen Defizite ein, sehen Wartezeit aber „nicht als Kernproblem“

BERLIN taz ■ Kassenpatienten sind bei Terminvergabe und Wartezeiten in Arztpraxen gegenüber Privatversicherten benachteiligt. Das ergab eine gestern vorgestellte Versichertenbefragung der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen im Auftrag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). 16 Prozent der Kassenpatienten haben nach der repräsentativen Studie Probleme, einen Termin bei ihrem Haus- oder Facharzt zu bekommen. Das sind doppelt so viele wie bei den Privatversicherten, von denen nur 8 Prozent Schwierigkeiten bei der Terminvergabe beklagten.

Unterschiede gibt es auch im Wartezimmer. 55 Prozent der Privatpatienten, aber nur 38 Prozent der Kassenpatienten kamen beim letzten Besuch in einer Arztpraxis schon nach spätestens 15 Minuten an die Reihe. Damit bestätigen die Zahlen Vorwürfe von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD). Sie hatte die Krankenkassen vorige Woche aufgefordert, gegen „unhaltbar“ lange Wartezeiten ihrer Versicherten bei der Vergabe von Facharztterminen vorzugehen.

Bei der Vorstellung der Studie räumte KBV-Vorstandsmitglied Ulrich Weigeldt gestern ein, dass die Umfrage für die Ärzte auch „weniger angenehme“ Ergebnisse gebracht habe. „Wenn knapp 30 Prozent der Patienten länger als eine halbe Stunde in der Praxis warten, wenn 15 Prozent über eine Beschwerde nachdachten und wenn 11 Prozent aus Unzufriedenheit in den vergangenen zwölf Monaten den Arzt gewechselt haben, dann sehen wir Handlungsbedarf.“

Gleichzeit versuchte Weigeldt allerdings, die Vorwürfe der Gesundheitsministerin zu relativeren. „Die überlange Wartezeit der Patienten kann nicht das Kernproblem des deutschen Gesundheitssystems sein, wenn 85 Prozent der Befragten mit der Terminvereinbarung kein Problem haben.“

Auch die Patientenbeauftragte Helga Kühn-Mengel relativierte die Klagen. „Die meisten Beschwerden über lange Wartezeiten kommen von gesetzlich Versicherten“, sagte ihr Sprecher gestern gegenüber der taz. „Aber immer wieder beklagen sich auch Privatpatienten. Das liegt eher an dem grundsätzlichen Problem, dass Ärzte nicht genügend Sprechstunden anbieten.“

Der Großteil der Befragten ist aber insgesamt zufrieden mit der ärztlichen Betreuung. 90 Prozent der Befragten attestierten ihrem Hausarzt gute medizinische Leistungen.

Verbesserungsbedarf sieht der Vorstandsvorsitzende des KBV, Andreas Köhler, beim Notfalldienst. Etwa 30 Prozent der Befragten gaben an, im Notfall ein Krankenhaus aufzusuchen. „Das sind zu viele“ meint Köhler. Eine Verbesserung der Strukturen der Notfalldienste müsse jetzt diskutiert werden, um die Patienten verstärkt in die Praxen der diensthabenden Notfallärzte zu lenken. SOPHIE HAARHAUS