BLÜHENDE WILDNIS
: Füchse und Spatzen

Das Kaninchen an der Leine soll mal Artgenossen kennenlernen

Ein leichter Wind weht am Spreeufer. Fern, wie aus einer anderen Welt, hört man die Ansager der Ausflugsschiffe. Die Abendsonne scheint, last days of summer. Um mich herum hoppeln Kaninchen, eine ganze Kolonie lebt hier am Rande des Marx-Engels-Forums. Eine ältere Frau kommt vorbei. An einer improvisierten Leine führt sie ein schwarzes Kaninchen, es soll mal Artgenossen kennenlernen. Die haben aber keine Lust und verstecken sich in den Rhododendren. Macht nichts, sagt die Frau, ihr Kaninchen sei ohnehin viel zu scheu, um mit ihnen zu spielen.

Nun ist es dank der Aufklärungsarbeit von Cord Riechelmann und Kollegen längst kein Spezialwissen mehr, dass die Stadt zu den vielfältigsten Naturräumen zählt. Gerade Berlin: Die Westbezirke werden von Wildschweinen umgepflügt, Imkern ist das neue urbane Trendhobby, auf den Brachen wuchert die Ruderalflora – allein auf dem Schöneberger Südgelände finden sich über 350 verschiedene Pflanzenarten – und mit Erzählungen von Fuchssichtungen kann man höchstens noch Erstsemester und Touristen beeindrucken.

Als die Frau mit dem schwarzen Kaninchen gegangen ist, lege ich mich wieder ins Gras und beobachte die Stadtnatur. Eine Hummel hummelt herum, im Gebüsch sieht man ab und zu die Silhouette einer Ratte vorbeihuschen, in den Bäumen verrichtet eine Elster ihre tägliche Arbeit, und auf der Wiese sind jetzt wieder die Kaninchen. Sie grasen gemeinsam mit einem Schwarm Spatzen – ja, Spatzen grasen, wenn man ihnen keine Brötchenkrümel hinwirft – und zwei Grünfinken.

Es ist toll! Am liebsten möchte ich alle Viere von mir strecken, damit die Tiere sich auf meine Arme und Beine setzen können, Zutrauen gewinnen, mich als ihresgleichen akzeptieren.

Aber ich kann nicht. Ich muss gehen. Sofort. Ich habe mich in eine Ameisenstraße gesetzt und alles juckt! MICHAEL BRAKE