Auf dem Sofa getrommelt

Musik wie ein Flimmern über dem See und dazu eine Stimme, die nach flaumloser Oberlippe klingt: Klez.e fühlen sich wohl im Indiekosmos aus Notwist-Referenzen und selbstgebastelten Plattencovern

VON KIRSTEN REINHARDT

„Die Popkultur entdeckt die Natur“, schrieb die Süddeutsche Zeitung kürzlich über die neuen Alben von Blumfeld und Kante: Rückzug aufs Land, Lieder über Apfelsorten, flüsternde Waldtiere. Nach Wald und Wiese erobert nun eine Band den See als weiteres Stück Natur. Klez.e haben mit „Flimmern“ ihr zweites Album auf dem Label Loob Musik veröffentlicht. „Flimmern ist, wenn sich die Sonne auf der Seeoberfläche bricht“, erklärt Tobias Siebert, Sänger und Texter, und es ist richtig, dass das Album der fünf Berliner so heißt: Irgendwo flimmert, gleißt und glänzt es in jedem der zehn Songs.

Es ist einer der heißen Tage im Juli. Siebert und Gitarrist Christian Schöfer, genannt Fisch, haben an einen schattigen Tisch des am Spreekanal gelegenen Freischwimmer-Cafés geladen. Sie sehen nach Urlaub aus: T-Shirts, dreitagebärtig und haarverstrubbelt. Fisch kokettiert mit einem Interview, dass er einst als nervöser Schülerzeitungsreporter mit Tocotronic geführt hat – eine Dekade später sitzt er nun auf der anderen Seite.

Mir ihrem Debüt „Leben daneben“ wurden Klez.e, die sich „Klissie“ sprechen und – ja, nach einem Computerwurm benannt haben, zwischen The Notwist und Radiohead eingeordnet. Sie machen Festivalmusik, optimal zum Biertrinken im Gras. Auf dem Immergut haben sie gespielt, als Vorgruppe waren sie mit Kashmir unterwegs. Die neue Platte sei „weder notwistig noch radioheadig“, so Fisch. Ein bisschen ist davon dennoch zu hören: äußerst krachig, klanglich vielschichtig und dicht. Aber irgendwas ist anders, holt den Hörer immer wieder raus aus dem Sog, lässt ihn nicht zur Ruhe kommen.

Ständig gibt es in der Musik Brüche. Ein ungewöhnlicher Klang, ein sperriger Satz oder ein Tremolo in der Stimme. Die klingt wie die Jens Friebes, nach flaumloser Oberlippe, und teilt die Musik bisweilen wie ein geschliffenes Messer. Tobias Siebert schreibt – mal eingängig, mal verschwurbelt-gebastelt – eher Fragmente und Bilder als Geschichten. Selten sind die Texte so deutlich wie hier: „Es ist so lautlos / ich ertrinke im See / und du tanzt für mich auf dem Seeboden / und dann sinke ich dort ein“. Es geht, natürlich, um Liebe und ihre Auswüchse. Auch Kapitalismuskritik darf nicht fehlen. Der Song „Werbefläche Mond“, die Zeile „Los, verkauf dich jetzt“ sind klare Botschaften.

Das See-Thema zieht sich zwar durch das ganze Album, weniger aber konzeptuell als rein gefühlsmäßig: „Wir hatten plötzlich all diese Komponenten: die Stücke, die nach Wasser klingen, die Texte, in denen vom See und Meer erzählt wird, und die Fotos“, erzählt Siebert. „Am Ende passte alles zusammen. Für uns klingt dieses ganze Album von der Farbe wie: Flimmern.“ Dass, wie oft bei deutschen Bands, die Texte dominieren, davon will er nichts wissen: „Für mich sind Stimme und Text gleichberechtigte Instrumente. Sie gehören dazu wie Bass oder Schlagzeug. Und wenn der Text mal in den Vordergrund rückt, dann nicht zum Selbstzweck, sondern weil alles andere auch laut ist.“

Vor eineinhalb Jahren haben Klez.e mit den Aufnahmen zu „Flimmern“ begonnen. Mittendrin wurde die Garage Pankow, das Probedomizil von Bands wie Klez.e, Delbo oder Hund am Strand, geschlossen, und Sieberts Studio Radio Büllebrück zog um nach Kreuzberg. Im neuen Studio nehmen Bands wie Virginia Jetzt! und Locas in Love auf. Independent, das bedeutet für Tobias Siebert weniger ein Etikett für Musik, sondern eine Einstellung: „Wir versuchen, alles mit Liebe und Detailgenauigkeit zu machen. So arbeite ich auch im Studio. Die Bands sollen so klingen, wie sie eben klingen. Wir haben nicht den Anspruch, einen Hit machen zu müssen. Wir arbeiten gegen diesen Druck – der natürlich auch von kleinen Labels kommen kann.“

Diese Detailgenauigkeit kann so aussehen: Vor Beginn der Aufnahmen haben Klez.e stundenlang allerlei Geräusche aufgenommen – ein Schnippen gegen ein Weinglas, ein Atmen. Danach wurden die Sounds digitalisiert und eine Sample-Datenbank erstellt. „Die Bassdrum im ersten Lied ist das Studiosofa, auf das wir geschlagen haben, das Sofabein die Snare“, erklärt Siebert und lehnt sich zurück, zufrieden über den Einfall.

Für Fotos haben sie dann mit blauen Lippen gefühlte zehn Stunden im herbstkühlen Wasser des Liepnitzsees ausgeharrt. Und auch bei der Gestaltung des Albumcovers zeigt sich ihr Do-it-yourself-Idealismus: Während sich Fisch und Siebert interviewen lassen, sitzt Gitarrist Pettig nebenan und klebt kleine Algengewächse in die Unterwasserlandschaft der Papphülle. Das sieht aus wie eine Mischung aus Klappbilderbuch und Kinder-Angelset. „Wir lassen uns die fertigen Teile anliefern und basteln selbst, insgesamt 4.000 Exemplare. Das haben wir beim ersten Album auch gemacht, weil man die Cover-Idee nicht maschinell umsetzen konnte. Stundenlang basteln ist eben der Preis, den wir dafür zahlen.“ Dafür, so zu sein, wie sie eben sind.

Klez.e: Flimmern (Loob Musik, Universal); Record-Release-Party, heute im Eingang 28 „indie.aner“, Christinenstraße 28. (Wer will, kann bis 26. 8. selbst kreierte Unterwasserwelten einsenden, die eine Ausstellung zum Thema „See“ bestücken sollen. Infos auf www.myspace.com/kleze)