Piraten der Lüfte

„Die Informationsblockade brechen“: Seit Fidel Castro erkrankt ist, setzen die USA sogar Sende-Flugzeuge ein, um Kuba medial zu „versorgen“

VON KNUT HENKEL

„Traspaso del poder“, Übergabe der Macht, und „transición“, Übergang, heißen zwei der Radiosendungen, die alle drei Stunden von Miami in Richtung Kuba ausgestrahlt werden. Sender ist Radio Martí, eine von der US-Regierung finanzierte Radiostation. Ihr politisches Ziel: siehe Sendungstitel. Seit zehn Tagen erhält Radio Martí nun auch Unterstützung vom großen Bruder, von TV Martí. Von Montag bis Samstag steigt in Key West, im Süden Floridas, eine kleine Propellermaschine auf, um aus der Luft zu senden.

„Mit der Übertragung von Bord des Flugzeuges wird das Versprechen des Präsidenten eingelöst, die Informationsblockade über Kuba zu brechen. Der Zugang der kubanischen Bevölkerung zu aktuellen und exakten Informationen, die die Kubaner in dieser kritischen Zeit benötigen, wird verbessert“, so Pedro Roig, Direktor von Radio und TV Martí. Roig, ein Veteran der Schweinebuchtinvasion, hat in den letzten Wochen alle Hebel in Bewegung gesetzt, um den Flieger flott zu machen. Eigentlich sollte der erst im späten August zum Einsatz kommen, doch die Erkrankung Fidel Castros hat zur Höchstleistung motiviert.

38 Millionen US-Dollar lässt sich Washington in diesem Jahr den Sendebetrieb kosten. Insgesamt flossen in das 1985 gegründete Radio Martí und das seit 1990 sendende TV Martí 500 Millionen US-Dollar. Im offiziellen Kuba sind die nach dem nationalen Freiheitshelden José Martí benannten Kanäle Teufelswerk, weil sie, so die kubanische Tageszeitung Granma, „subversive und zersetzende Inhalte transportieren“ und sogar „zu terroristischen Aktivitäten aufrufen“.

Ob der Sender überhaupt gesehen wird, ist indes umstritten – empfangen kann man ihn nämlich nur mit einer Satellitenantenne. „Und wenn die Kubaner die Wahl haben zwischen schreienden alten Exilkubanern und CNN oder HBO, was, denken Sie, werden sie tun?“, fragte John Nichols, Medienforscher an der Pennsylvania State University, süffisant. Schon im Frühjahr hat er die Pläne, das Sendeflugzeug zu kaufen, kritisiert, weil TV Martí schlicht keine Zuschauer habe.

Das scheint nicht ganz zu stimmen, denn in der letzten Woche wetterte die Granma, das Blatt der Kommunistischen Partei, über die „Piraterie von Satellitensignalen“. Unzählige, teilweise selbst gebastelte Satellitenschüsseln bevölkern die Hinterhöfe der kubanischen Hauptstadt. Auf zehntausend schätzen Dissidenten ihre Zahl allein in Havanna. Und an den Schüsseln hängen zumeist mehr als eine Hand voll Haushalte.

10 konvertible Peso, umgerechnet knapp 10 US-Dollar, kostet der Anschluss an die Satellitenwelt mit CNN, HBO und Co. Viel Geld für kubanische Verhältnisse, denn dort beläuft sich der Durchschnittslohn auf rund 290 Peso nacional – also etwa 14 US-Dollar. Gleichwohl ist die Nachfrage nach Satellitenantennen und -anschlüssen groß. Ein Trend, den auch das kubanische Innenministerium erkannt hat: Seit kurzem beschlagnahmt es Satellitenantennen.

Ob es der Regierung gelingt, so alle missliebigen Informationskanäle zu stopfen, ist aber mehr als fraglich. Denn Zugangscodes für Computer mit Internetanschluss kursieren genauso auf der Insel wie Decoder, Laptops, Faxgeräte, Handykarten oder Kurzwellenradios. Ein Teil dieser Geräte, so die Granma, wurde von der US-Interessenvertretung in Havanna als Geschenke an die Opposition in Umlauf gebracht.

Sowohl Radio Martí als auch sein TV-Ableger werden von der kubanischen Regierung geblockt, das Radio aber bisher lang nicht so effektiv wie das Fernsehsignal. Früher haben relativ viele unabhängige Journalisten für die Radiostation gearbeitet und alternative Infos von der Insel geliefert. Das ist weitgehend vorbei. Zum einen hat der staatliche Druck auf unabhängige Journalisten in den letzten beiden Jahren laut Reporter ohne Grenzen merklich zugenommen. Zum anderen ist Radio Martí unter der Bush-Regierung stramm nach rechts geschwenkt.

Zum Spielzeug der erzkonservativen Kreise in Miami seien Radio und TV Martí geworden, sagt Alfredo Durán, ein vom Hardliner zum Dialogbefürworter mutierter Exilkubaner. „Wahre und objektive Berichterstattung“, wie im Sendeauftrag festgeschrieben, ist laut Durán Mangelware geworden. Längst seien die Sender „pure Propagandakanäle und reine Geldverschwendung“.

Ob die Dissidenten sich deshalb über die Intensivierung der Ausstrahlung durch Televisión Martí freuen, ist zu bezweifeln. Nationale Versöhnung steht ganz oben auf deren Agenda, nicht aber auf der von TV Martí.