Ein Tarifvertrag – ganz allein für Ärzte

Die Ärztegewerkschaft hat sich mit den kommunalen Arbeitgebern auf einen eigenen Abschluss geeinigt. Für Ärztechef Montgomery ein Erfolg. Doch die Arbeitgeber sprechen von schlechtem Tag für die Kliniken und warnen vor Stellenabbau

VON ANNA LEHMANN

Die Ärztestreiks an den kommunalen Krankenhäusern sind beendet. Gestern einigten sich die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände und die Ärztegewerkschaft Marburger Bund auf einen Tarifvertrag für die 70.000 Klinikärzte an den 700 Krankenhäusern in kommunaler Hand. Der Vorsitzende des Marburger Bundes, Frank Ulrich Montgomery, sagte zur taz: „Es ist ein Erfolg. Der Abschluss ist nicht ganz so gut wie der Abschluss mit den Ländern, aber deutlich besser als der Ver.di-Abschluss.“ Der Marburger Bund wird seine Mitglieder jetzt auffordern, die Streiks auszusetzen, und eine Urabstimmung über das Ergebnis einleiten.

Der Tarifkompromiss sieht laut Marburger Bund Einkommensverbesserungen für die Ärzte zwischen 1,5 und 4 Prozent im Vergleich zum zuvor gültigen Bundesangestelltentarif vor. Die Gehaltsspanne reicht künftig von 3.420 Euro im Monat für einen Arzt in der niedrigsten Einkommensstufe bis zu 6.500 Euro für einen leitenden Oberarzt. Die Ärzte in den neuen Bundesländern erhalten zunächst 95,5 Prozent dieses Entgelts, vom 1. Juli 2007 an 97 Prozent.

Außerdem einigten sich der Marburger Bund und die kommunalen Arbeitgeber über eine Verkürzung der Bereitschaftsdienste. Die Arbeitszeit der Klinikärzte soll von bisher maximal 32 Stunden am Stück auf höchstens 24 Stunden, bei schwerer Arbeit auf 18 Stunden sinken. Insgesamt gilt im Osten wie im Westen die 40-Stunden-Woche. Der Tarifvertrag gilt bis Ende 2009. Die Vergütungsregelungen können aber schon zum 31. Dezember 2007 gekündigt werden.

Die Arbeitgeber beziffern die zusätzlichen Arztkosten für die einzelnen Kliniken auf 10 bis 13 Prozent. VKA-Verhandlungsführer Otto Foit sagte zur taz: „Das ist kein wirklich guter Tag für die Kliniken.“ Zwar sei man froh, dass die Patienten nun wieder regulär versorgt werden könnten. „Aber die Kliniken müssen durch den Abschluss etwa 500 Millionen Euro zusätzlich aufbringen.“ Das werde manches Krankenhaus in existenzielle Nöte bringen. Immerhin liege das Volumen des Abschlusses unter dem des Tarifvertrags, den der Marburger Bund für die Universitätskliniken und Landeskrankenhäuser abgeschlossen hatte.

Acht Wochen nach ihren Kollegen an den Unikliniken haben sich die Ärzte an den kommunalen Krankenhäusern nun ebenfalls den ersten eigenen Tarifvertrag erstreikt. Zwar meint MB-Chef Montgomery: „Es ging uns in erster Linie um eine vernünftige Vergütung für Ärzte.“ Doch hat der Marburger Bund nie ein Hehl daraus gemacht, dass ein eigener Tarifvertrag für Ärzte zu den primären Zielen der Streiks gehörte. Im Oktober vergangenen Jahres hatten die Ärztevertreter deshalb die Tarifunion mit Ver.di aufgekündigt. Ver.di vertrat dennoch weiterhin den Gesamtvertretungsanspruch für die Angestellten des öffentlichen Dienstes und hatte erst Anfang August einen Vertrag für die kommunalen Kliniken abgeschlossen, der auch Extraregelungen für Ärzte enthielt. Dieser war vom Marburger Bund nicht anerkannt worden. Seit gestern ist Montgomery am Ziel: „Über Ver.di brauchen wir jetzt nicht mehr zu sprechen. Die Ärzte haben endlich erreicht, dass sie ihre beruflichen Belange selbst in die Hand nehmen.“

Die kommunalen Arbeitgeber warnten unterdessen vor Stellenabbau auch bei den Ärzten. Im Zuge der Gesundheitsreform fordern Union und SPD von den Kliniken einen Sanierungsbeitrag von 750 Millionen Euro im nächsten Jahr. „Das führt zu erheblichen Rationalisierungen bis hin zu Personalfreisetzungen im medizinischen und pflegerischen Bereich“, prognostizierte Foit. Vor diesem Hintergrund appellierte er an die Bundesregierung, die zusätzlichen Belastungen für die Kliniken durch die Gesundheitsreform zurückzunehmen.