Nazis marschieren doch

Weil Wunsiedel einen Gedenkmarsch für Rudolf Heß verbietet weichen die Rechten auf andere Städte aus

BERLIN taz ■ Neonazis haben in zahlreichen Städten für morgen Demonstrationen angemeldet. Es sind offensichtlich Ausweichveranstaltungen zu dem verbotenen „Gedenk“-Marsch für Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß im nordbayerischen Wunsiedel. Die Veranstalter der anderen Demos streiten jeglichen Bezug zum Heß-Todestag ab.

Einer der möglichen Ausweichorte ist Jena, 150 Kilometer von Wunsiedel entfernt. Dort hat Rechtsextremist Patrick Wieschke eine Demo mit dem Motto „Meinungsfreiheit – Entweder ganz oder gar nicht“ angemeldet, die sich „für die Abschaffung von Meinungsparagraphen“ ausspricht. Sie richtet sich gegen die Neufassung des „Volksverhetzungsparagraphen“ 130, auf deren Grundlage der Aufmarsch in Wunsiedel verboten wurde.

Die Stadt Jena hatte den Aufmarsch unterbinden wollen, das Verwaltungsgericht Gera erlaubte den Nazis wiederum, zu demonstrieren. Das gleiche Gericht hob gestern auch ein Demoverbot für das thüringische Altenburg auf.

In Berlin wollen Rechte am Samstagvormittag unter dem Motto „Meinungsfreiheit für alle – Gesinnungsjustiz stoppen“ marschieren. Die Veranstalter betonen, man wolle keine Transparente mit Bezug zu Rudolf Heß sehen. Bislang gibt es kein Verbot, obwohl hier bereits im Vorjahr 700 Neonazis aufmarschierten und zum Teil Heß-Parolen riefen.

In München war bereits für gestern, dem eigentlichen Todestag, eine Heß-Mahnwache für die Abendstunden angemeldet. Zu einem weiteren Wunsiedel-Ersatz könnte hier eine Demo am Samstagvormittag werden. Als Redner sollen auch die NPD-Mitglieder Thomas Wulff und Thorsten Heise auftreten. Die Stadt hat bislang kein Verbot erlassen.

KERSTIN SPECKNER