Mehr Pommes!

FOLK Mit Wehmut und Wermut: ClickClickDekker aus Hamburg und ihr neues Album „Ich glaub dir gar nichts und irgendwie auch alles“

Die Landidylle hat sich dann wohl doch ausgewirkt. Kevin Hamann hat im nordwestlichsten Zipfel der Republik, in einem Nest namens Emmelsbüll-Horsbüll im Kreis Nordfriesland, ein Album aufgenommen. Das Setting: Schafe am Deich, flaches Land, dichter Küstennebel. In einem alten Bauernhaus – darin ein Studio, das ihm und seinem Kompagnon als Spielwiese diente. Genau so ist „Ich glaub dir gar nichts und irgendwie auch alles“, das vierte Studioalbum der Hamburger Band ClickClickDekker, entstanden.

Einst als Soloprojekt Kevin Hamanns gestartet, sollen ClickClickDekker – der Name referiert auf einen Wedding-Present-Song – wohl dauerhaft zum Duo mit Oliver Stangl werden. Wie bereits die vorangegangenen Werke steht auch das jüngste Werk in einer Folk-Tradition, erinnert bisweilen an den Hamburger Liedermacher Gisbert zu Knyphausen. „Ich glaub dir gar nichts und irgendwie auch alles“ lebt von einer sorgfältigen Aufnahme und Produktion, Hamann und Stangl orchestrieren die 13 Songs oft mit Chören oder zusätzlichen Gesangsspuren.

Spielereien mit Rasseln

Man hört etliche Spielereien mit Rasseln, Schneebesen am Schlagzeug, Glockenspiel und minimaler Elektronik. „Tierpark Neumünster“ beginnt sofort mit einem swingenden Rhythmus, der auch als Soundtrack zu „Jim Knopf und Lukas …“ taugen würde. Im Laufe der 50 Minuten wünscht man sich dann aber viel mehr Mut, mit der nöligen Indie-Songwriter-Tradition zu brechen. Oft entsteht der Eindruck, Songs in ähnlicher Form von ClickClickDekker selbst schon mindestens einmal zu oft gehört zu haben: ein paar Mollakkorde, ein bisschen Wehmut und Wermut, ein wenig Alltagsdrama.

Vom Sprachduktus her steht das Album voll in dieser Tradition, die Geschichten werden über Alltagsmomente oder über das Zwischenmenschliche erzählt. Zum Teil gelingen die Sprachbilder auch und kommen charmant daher: „Wenn die Augen brennen vom Zusatz / Wenn die Haut nach Pommes stinkt / Willst deinen Krieg verbuddeln / Du weißt nicht, ob’s gelingt“, singt Hamann, der alle Songs komponiert hat, im Titelsong.

Insgesamt aber hätte eine Portion Pommes mehr und weniger Gefühligkeit dem Album äußerst gut getan. Denn bei den meisten Momentaufnahmen von Ein- und Zweisamkeit, die sich durch die Songs ziehen, fehlt der Blick fürs große Ganze, vielleicht auch eine größere Idee hinter den Texten.

Im Titel und im dazugehörigen Stück deutet sich das schon an, denn genauso im Ungefähren bleiben viele Songs: „Ich glaub, eigentlich fährt diese Linie nirgendwo hin / Du sagst gut, dass du hier bist / Und nicht wo ich jetzt bin“, heißt es da.

Hamann, 33 Jahre alt und nebenher noch Teil des Elektropop-Duos Bratze, wirft melancholische, gar nicht mal misslungene Zeilen in den Raum – die Texte sind aber nicht griffig, packen die Hörer nicht. „Ich glaub dir gar nichts und irgendwie auch alles“ kommt einem so vor wie ein zu langes Melodram, dem der Bösewicht fehlt. Die Musik hat ein bisschen zu viel Altbauimpressionismus abgekriegt.

Interessant ist es schon, dass zahlreiche deutsche Künstler, die einst mit Punk oder Hardcore angefangen haben, nun eine harmlose, zum Teil fast biedere Sprache in ihren Songs sprechen. Das trifft auch auf ClickClickDekker zu. „Wo du mit Leichtigkeit gehst / Würde ich gerne sein / Das, was du immer von mir willst / das würde ich gern sein“, heißt es etwa in dem Refrain zu „Ausbalancieren“. Oder: „Wenn man immer nur zurückschaut, ist irgendwann nichts mehr da“ („Niemand wird’s gewesen sein“). Häufig hat man das Gefühl, es würden große Aphorismen entworfen, aber nicht aufgelöst. Und der Deich liegt ruhig da. JENS UTHOFF

■ ClickClickDekker: „Ich glaub dir gar nichts und irgendwie auch alles“ (Audiolith/Broken Silence)