DIE WERBEPAUSE
: Staatsaffäre um einen TV-Spot

Eine weißhaarige alte Frau bewegt sich mühsam mit ihrem Rollator vorwärts. Auf dem Weg zum Sozialamt stürmt eine Gruppe Burka-verschleierter Frauen mit Kinderwagen an ihr vorbei. Die Botschaft: Bei dem vermeintlichen Wettlauf um staatliche Sozialleistungen hat die Rentnerin gegen die „Einwanderer“ keine Chance. „Am 19. September hast du eine Wahl“, tönt eine weibliche Stimme, „zwischen Einwanderungsbremse und Pensionsbremse.“

Dieser halbminütige Fernsehwerbespot der rechtspopulistischen Schwedendemokraten (www.youtube.com/watch?v=XkRRdth8AHc ) ist für Schwedens größten Privatsender „fremdenfeindliche Hetze“. TV 4 hat die Ausstrahlung abgelehnt.

In gut zwei Wochen wird in Schweden gewählt. TV-Werbezeit gibt’s für die Parteien nicht umsonst. Die können sie sich beim Privatfernsehen kaufen. Dass ihr Spot nicht gesendet werden soll, ist für die Schwedendemokraten „grobe Zensur“. Pia Kjarsgaard, Chefin der ausländerfeindlichen Dänischen Volkspartei, nannte Schweden daraufhin die „skandinavische Bananenrepublik“.

Aber auch Anne-Marie Dohm, Rektorin der Medienhochschule Danmarks Medie- og Journalisthøjskole, glaubt, „beinahe Zensur“ erkennen zu können. Und VertreterInnen der dänischen Regierungsparteien meinen, durch das Verbot könne die Meinungsfreiheit in Schweden gefährdet sein. Sie möchten gern, dass der Europarat Wahlbeobachter nach Schweden schickt. Was in Schweden als Hetze empfunden wird, ist in Dänemark eben durchaus übliche Tonlage der öffentlichen Debatte. Und auch schon mal von Regierungsvertretern zur Rechtfertigung der nächsten Ausländerrechtsverschärfung zu hören.

Die Reaktion aus Dänemark sage mehr über dieses Land als über Schweden aus, meint der – schwedische – Schriftsteller und Journalist Göran Rosenberg: „Ich möchte sehen, was passiert, wenn man die Burka-Frauen durch Juden ersetzen würde. Aber solange es um Muslime geht, gibt es in Dänemark wohl kaum Grenzen.“ In Schweden habe man sich wenigstens eine gewisse Anständigkeit bewahrt.

Ob aber der Stopp des Spots wirklich so glücklich war, wird durchaus auch in Schweden bezweifelt. Medienanalytiker Patrik Westander meint, die Strategie der Schwedendemokraten sei damit aufgegangen: bewusst provozieren, um ein Verbot zu erreichen und so noch mehr Aufmerksamkeit zu bekommen. Nun könnten sich die Rechtspopulisten mal wieder als Märtyrer gerieren, als Tabubrecher, meint auch die sozialdemokratische Oppositionsführerin Mona Sahlin. Die aber ähnlich wie Schwedens Regierungschef Fredrik Reinfeldt die dänische Kritik als „unseriös“ zurückweist.

REINHARD WOLFF