„El Chapo“ am Pazifik geschnappt

MEXIKO Der meistgesuchte Drogenbaron gilt als das aktuell größte kriminelle Unternehmergenie

BERLIN taz | Er ist einer der reichsten Männer der Welt und war der meistgesuchte Kriminelle der US-Antidrogenbehörde DEA. Nun sitzt „El Chapo“, der „Kleine“, wie Joaquín Guzmán Loera wegen seiner geringen Körpergröße genannt wird, im Gefängnis. Marinesoldaten und Beamte der US-Antidrogenbehörde DEA haben den mexikanischen Mafiaboss am Samstag in der Hafenstadt Mazatlán im Bundesstaat Sinaloa festgenommen. Der 56-jährige Chef des Sinaloa-Kartells wurde in den Hochsicherheitsknast Altiplano nahe Mexiko-Stadt gebracht.

Für die Ergreifung Guzmáns hatten US-Behörden fünf Millionen Dollar ausgesetzt, die Mexikaner zudem 30 Millionen Pesos (ca. 1,8 Mio. Euro). Laut der mexikanischen Zeitung proceso haben US-Beamte Guzmán eine Woche lang in Mazatlán observiert und dann mit seiner Frau in einem Hotel verhaftet. Bei dem Einsatz sei kein einziger Schuss gefallen, sagte Generalstaatsanwalt Jesus Murillo Karam.

Joaquín „El Chapo“ Guzmán hat ein weltumspannendes kriminelles Netzwerk aufgebaut, das den legendären US-Gangster Al Capone wie einen Anfänger aussehen lässt. Der mexikanische Drogenbaron habe weitaus größeren Schaden angerichtet als der US-Staatsfeind Nummer 1 der 1930er Jahre, heißt es in einem Bericht der Chicago Crime Commission.

„El Chapo“ kam 1954 oder 1957 in dem Dorf La Tuna de Badiraguato im mexikanischen Bundesstaat Sinaloa zur Welt. Der Sohn einer armen Familie verkaufte als Jugendlicher Orangen, bevor er sich in den 1980er Jahren der Drogenbande um Miguel Ángel Félix Gallardo anschloss. Nach der Festnahme des Chefs gründete er das Sinaloa-Kartell.

Das Sinaloa-Kartell zählt zu den wichtigsten kriminellen Organisationen Mexikos und verfügt weltweit über gute Strukturen. Es ist in den Drogen- und Menschenhandel ebenso involviert wie in Waffenschmuggel sowie Geldwäsche. Mit den Rivalen der „Zetas“, der „Tempelritter“ und des Golf-Kartells liefert sich Chapos Organisation blutige Kämpfe um Transportrouten und Einflusszonen.

Guzmán wurde 1993 in Guatemala verhaftet, konnte aber 2001 aus einem mexikanischen Gefängnis in einem Wäschewagen fliehen. Danach baute er seine Macht aus. Experten gehen davon aus, dass „der Kleine“ beste Kontakte zu Politikern und Sicherheitskräften hatte. In seiner Heimat im Bundesstaat Sinaloa konnte er sich recht frei bewegen. So feierte er dort unbehelligt in einem ausgiebigen Fest seine Hochzeit.

Einiges spricht dafür, dass das Kartell zeitweise von höchster Ebene gedeckt wurde. Bis heute ist der Verdacht nicht ausgeräumt, dass der damalige Präsident Vicente Fox bei der Gefängnisflucht die Finger im Spiel hatte. Der DEA-Mann Phil Jordan forderte nun, dass „El Chapo“ unmittelbar in die USA gebracht werden müsse: „Wenn er nicht ausgeliefert wird, flüchtet er bald wieder.“ WOLF-DIETER VOGEL