Es lebe die Revolution

UKRAINE Janukowitsch abgesetzt, das Volk übernimmt die Macht

KIEW/BERLIN taz | Die ukrainische Revolution hat das alte Regime gestürzt. Innerhalb weniger Stunden verschwand am Samstag die Regierung von Präsident Wiktor Janukowitsch. Die Sicherheitsorgane schlugen sich auf die Seite der Opposition. Der bisherige Parlamentspräsident Wladimir Rybak erklärte seinen Rücktritt. Kurz darauf erklärte das Parlament, in dem die „Partei der Regionen“ von Janukowitsch eigentlich über eine komfortable Mehrheit verfügt, den Präsidenten für abgesetzt. Am 25. Mai sollen Neuwahlen zur Präsidentschaft stattfinden.

Eine der Kandidaten wird Julia Timoschenko sein. Die Oppositionsführerin kam am Samstag nach mehr als zweieinhalb Jahren aus der Haft frei. Im Rollstuhl sitzend rief sie etwa 100.000 Demonstranten auf dem Maidan dazu auf, ihre Proteste fortzusetzen. „Die Diktatur ist gestürzt“, sagte Timoschenko. Die Verantwortlichen für den Tod von mehr als 70 Demonstranten müssten bestraft werden. Für das Amt des Präsidenten werden wohl auch Vitali Klitschko und der Chef der rechten Swoboda-Partei, Oleg Tjagnibok, kandidieren.

Die Sicherheitskräfte waren am Sonntag aus dem Straßenbild Kiews verschwunden, die bisherigen Regimegegner kontrollierte die Stadt. Tausende Ukrainer besuchten den pompösen Palast des abgesetzten Präsidenten.

Der Verbleib von Wiktor Janukowitsch blieb am Sonntag unklar. Zuletzt war er am Samstag auf dem Flughafen im ostukrainischen Donezk gesehen worden. Sein Abflug mit unbekanntem Ziel wurde von Sicherheitsleuten gestoppt, die offenbar die Annahme von Schmiergeldern verweigerten. Danach verschwand Janukowitsch in einer gepanzerten Limousine.

Die Schlüsselpositionen in der Regierung gingen auf Oppositionelle über. Das Parlament bestimmte am Sonntag seinen neuen Chef Alexander Turtschinow zum Übergangspräsidenten. Der kommissarische Innenminister Arsen Awakow teilte mit, 64 festgenommene Oppositionelle seien auf freien Fuß gesetzt worden. Der bisherige Außenminister wurde abgesetzt, ohne dass zunächst ein Nachfolger bestimmt wurde. KLAUS HILLENBRAND

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