Krieg der Welten diesseits von Afrika

Hagenbecks Tierpark in Hamburg ist in finanziellen Nöten – angeblich wegen Fußball-WM und Vogelgrippe. Gleichzeitig ist der Erlebnis-Zoo Hannover so erfolgreich wie nie. Laut Experten muss Hagenbeck sich dem Trend zu Erlebniswelten anpassen – und einen Teil seiner Selbständigkeit aufgeben

von LUCAS VOGELSANG

Die Fußball WM hat bundesweit für einen kollektiven Rausch und Festtagsstimmung gesorgt. Nur im Hamburger Tierpark Hagenbeck hat das globale Event Katerstimmung hervorgerufen. Zusammen mit den sommerlichen Rekordtemperaturen und der Vogelgrippe im Frühjahr wird das Turnier vom Besitzer des Tierparks, Joachim Weinlig-Hagenbeck, als einer der Gründe für den starken Besucherrückgang in der ersten Hälfte des Jahres genannt. Nur 425.000 Besucher wollten in den vergangenen sechs Monaten Elefanten füttern und Ponyreiten.

Die Einnahmen sanken folgerichtig um mehr als 15 Prozent. Für den privatwirtschaftlich geführten Zoo, der sich ausschließlich über Eintrittsgeld und Spenden finanziert, ein herber Verlust. Die laufenden Ausgaben von täglich 22.000 Euro konnten nicht mehr aus eigener Kraft gedeckt werden. Nun hat Hamburgs touristisches Aushängeschild Alarm geschlagen und sich an den Hamburger Senat gewandt. Dort bat man um eine vorübergehende Ausfallbürgschaft. „Es geht hier nur um einen einmaligen Zuschuss, eine weitreichende Finanzierung des Zoos ist nicht geplant“, erklärte ein Sprecher der zuständigen Kulturbehörde.

Fußball, Hochsommer und Seuchen allein können allerdings nicht den Besucherrückgang erklären, der sich in den letzten Jahren bereits mehrfach angedeutet hat. Hagenbeck, so sind sich viele Experten einig, hat ein Problem, das sich aus mehreren Faktoren zusammensetzt. Bereits vor sechs Jahren forderte der Hamburger Freizeitforscher Horst W. Opaschowski umfangreiche Investitionen in den Tierpark, um die dringend notwendige Modernisierung einzuleiten. Nur eine Umstrukturierung des Tierparks könne den Zoo auch auf lange Sicht konkurrenzfähig machen. „Der Kampf um die Erlebniswelten ist im vollen Gange. Da muss Hagenbeck unbedingt einsteigen“, zeichnete Opaschowski damals den Weg aus der Krise.

Der Erlebniszoo Hannover ist genau diesen Weg gegangen und hat massiv investiert. Mit Unterstützung der öffentlichen Hand: Die Region Hannover hat in den letzten zwölf Jahren fast 40 Millionen Euro in neue Attraktionen gesteckt. Heute hat der Zoo regelmäßig über eine Million Besucher im Jahr.

Während man in Hamburg mit dem Wetter hadert, kamen an der Leine unter denselben Bedingungen bislang mit über 700.000 sogar mehr Besucher als 2005.

Das traditionelle Konzept Hagenbecks mit Tieren, Eis am Stiel und Kinderkarussel hat sich offensichtlich überlebt. „Bei Hagenbeck wurde die moderne Zoo-Idee geboren. Die hatten so etwas wie die weltweit erste Erlebniswelt mit Tieren. Doch dieser Bonus ist aufgebraucht. Man kann nicht ewig nur von seinem Namen zehren“, stellt Freizeitforscher Opaschowsky klar, wo die Ursachen in Hamburg zu suchen sind.

Zwischen Hannover und Hamburg liegen Welten. Erlebniswelten. Während Hagenbeck noch immer auf seinen Namen und die Tradition baut, hat man sich in Hannover auf das neue Publikum und den veränderten Entertainment-Anspruch der Internet-Generation eingestellt. Mit der Yukon-Bay, einer Alaskalandschaft mit Schnee und Eisbären wird der Zoo als Spiegel der Kontinente komplettiert. Der Besuch im Zoo ist dort eine tierische Wanderung einmal um den Globus.

Die Schere zwischen diesen beiden Vorzeigetierparks im Norden Deutschlands wird in Zukunft immer weiter auseinander gehen. Der Grund dafür liegt insbesondere in den unterschiedlichen Finanzierungsmodellen der Tierparks. Dem privatwirtschaftlichen Unternehmen in Hamburg-Lokstedt steht in Hannover ein Vorreiter-Modell gegenüber, das man neudeutsch als „public-private partnership“ beschreibt. Dabei handelt es sich um nichts anderes als um eine Mischform zwischen privatem und städtischem Zoo, einen Zusammenschluss von Gemeinden und Tierpark zu einer GmbH. Die Region Hannover ist in dieser GmbH Teilhaber und unterstützt den Park mit drei Millionen Euro jährlich.

Opaschowsky ist sich sicher, dass Hagenbeck diesem Vorbild so schnell wie möglich folgen muss. „Als Privatunternehmen hat der Zoo keine Zukunft. Denn ohne öffentliche Zuschüsse wird er sich nicht mehr lange halten können“, stellt er klar. Hagenbeck müsse einen Teil seiner Eigenständigkeit aufgeben. „Hagenbeck braucht dringend eine Neuausrichtung. Doch die ist ohne Hilfe der Stadt nicht zu leisten“, sagt Opaschowski. Der Professor ist sich sicher, dass beiden Seiten an einer solchen Kooperation etwas liegen sollte: „Schließlich ist Hagenbeck Hamburg und Hamburg ist Hagenbeck.“ Die Gespräche über die Zustimmung zur rettenden Ausfallbürgschaft, in deren Verlauf Hagenbeck zum ersten Mal auch seine Finanzen offen legen muss, könnten ein Anfang sein.

2007 eröffnet Hagenbeck das neue Tropenaquarium. Es könnte der Grundstein für eine Neuausrichtung werden. In Hannover ist man dann auch schon wieder einen Schritt weiter: Ministerpräsident Christian Wulff hat dem Erlebnis-Zoo für sein Alaska-Projekt in der vergangenen Woche EU-Fördermittel aus dem Tourismusfonds in Aussicht gestellt.