Berlin im Bild zwischen Strandbar und Nieselregen: Neues von Oliver Koletzki & Fran und Norman Palm

Immerhin haben sich die beiden nicht ausgezogen. Ansonsten aber erinnert es doch sehr an John Lennon und Yoko Ono, wie Oliver Koletzki & Fran sich da präsentieren auf dem Cover von „Lovestoned“. Das herzallerliebste Bed-In feierte, garniert mit Frühstücksbrötchen, Teekanne und Honigglas, hemmungslos das Glück zu zweit. DJ Koletzki hat sogar seinen Kopfhörer abgelegt und stemmt dafür eine Tasse mit Herzchen-Motiv auf dem Foto.

Dieses Pop-Dancefloor-Berlingefühl-Album mag also nur ein Abfallprodukt der Liebe sein, aber dafür ein ziemlich gutes. Koletzki, der vor fünf Jahren mit „Der Mückenschwarm“ einen veritablen Tanzbodenhit produzierte, hat sich von dessen Minimalismus endgültig verabschiedet. Auf „Lovestoned“ hantiert er geschickt mit fröhlich hüpfenden Beats und angesagten Synthie-Klängen, er mischt wie selbstverständlich House-Rhythmen und die Klangfarben des Eighties-Revival, unterlegt das mit Disco-Streichern und pumpenden Bässen, während seine Lebensabschnittsbegleiterin sehr souverän die R&B-Diva gibt. Das ist mal eher für den Club gefertigt („Fingertips“) und mal für das Radio („Arrow And Bow“). Es mag auf dem Album zwar kein Hit dabei sein von der Eingängigkeit von „Hypnotized“, der großartigen ersten Zusammenarbeit von Koletzki und Fran aus dem vergangenen Jahr, aber dafür die wundervolle Soul-Ballade „I Might“, in der es Koletzki gelingt, sogar das eigentlich wirklich ausgelutschte Knistern altgedienter Jazz-Platten noch einmal aufregend klingen zu lassen. Darüber spaziert Fran durch „the streets of Berlin“ und überhaupt gibt sich das traute Paar große Mühe, den eigenen Lebensmittelpunkt ins rechte Licht zu rücken. Dem wird im Song „Strandbar Berlin“ ein so ungebrochen begeistertes Denkmal gesetzt, dass es wirkt, als sei diese große Liebe womöglich sogar vom Tourismusbüro der Hauptstadt finanziert.

Das in der weiten Welt neuerdings so rasend beliebte Berlin-Bild vervollständigt heute mal Norman Palm. Der aus Meppen stammende und irgendwo zwischen Mexico City, Paris und Berlin promovierte Künstler hat mit „Shore To Shore“ als Nachfolger zu seinem opulenten CD-Buch „Songs“ ein geradezu unheimlich abwechslungsreiches Album eingespielt, das zwischen Americana und Folk, zwischen Radiohead und Weltmusik immerhin einen gemeinsamen Nenner findet: eine seltsam bröckelige Melancholie, die sich so anfühlt wie ein grauer Morgen nach einer durchwachten Nacht. Oder eben wie Berlin im herbstlichen Nieselregen.

Diese eher modische als wirklich bedrückte Stimmung erklärt sich vielleicht dadurch, dass Palm bei den Aufnahmen zu „Shore To Shore“ unterstützt wurde von einem Finnen, der mit anderen Finnen ein Studio in Berlin betreibt. Der Finne an sich neigt ja zu einem recht entspannten, um nicht zu sagen ironischen Umgang mit dem Suizid. Aber solange er sich nicht umbringt, entsteht dann bisweilen großartige Kunst. Das hat dereinst Aki Kaurismäki bewiesen, und nun beweist es auch Norman Palm. THOMAS WINKLER

■ Oliver Koletzki & Fran: „Lovestoned“ (Stil vor Talent/Rough Trade), live 3. 9. Rodeo Beach Club (The Koletzkis), 4. 9. Tresor (DJ Koletzki), 24. 9. Watergate (mit Fran)

■ Norman Palm: „Shore To Shore“ (City Slang/Universal) 10. 9. Berlin Festival