Ryanair will Großbritannien verklagen

Die strengeren Kontrollen nach den vereitelten Terroranschlägen zerstören die Kalkulation des Billigfliegers. Bislang sei ein Schaden von rund 440 Millionen Euro entstanden. Auch British Airways und die Lufthansa erwägen rechtliche Schritte

„Wir beobachten kein verändertes Reiseverhalten“, heißt es bei der Lufthansa

VON ANNETTE JENSEN

Der irische Billigflieger Ryanair erwägt eine Schadensersatzklage gegen die britische Regierung. Die Sicherheitskontrollen an Flughäfen seien „unlogisch“ und hätten bereits einen Schaden von bis zu 300 Millionen Pfund (rund 440 Millionen Euro) verursacht, behauptet Ryanair.

Donnerstag vor einer Woche hatte die britische Polizei 24 Männer festgenommen, die angeblich mehrere Flugzeuge auf dem Weg in die USA in die Luft sprengen wollten. Seither sind tausende von Flügen vom Londoner Flughafen Heathrow ausgefallen. Passagiere müssen sich einer Leibesvisitation unterziehen und dürfen Handgepäck nur noch sehr eingeschränkt mit in die Kabine nehmen.

Ryanairs Fahrplan basiert darauf, dass die Jets durchschnittlich nur 25 Minuten am Boden sind, bevor sie erneut starten. Deshalb sollen die Passagiere auch einen möglichst großen Teil ihres Gepäcks selbst zum Flugzeug schleppen, was mit der neuen Handgepäckverordnung nicht mehr möglich ist.

Auch die British Airways will eventuell wegen Störung des Luftverkehrs vor den Kadi ziehen – allerdings gegen den Betreiber des Flughafens. Die BAA, die seit kurzem einer spanischen Firma gehört, habe viel zu spät zusätzliches Sicherheitspersonal organisiert, so der Vorwurf. Bei EasyJet und Lufthansa überlegen die Hausjuristen ebenfalls, wie sie die Millionenverluste wieder reinholen können.

Zugleich versucht die Branche aber auch, keine Flugangst aufkommen zu lassen. „Wir beobachten kein verändertes Reiseverhalten. Das Flugzeug ist und bleibt das sicherste Verkehrsmittel“, beruhigt Lufthansa-Pressesprecher Michael Göntgens. Auch die Aktienkurse der internationalen Airlines haben sich berappelt, nachdem sie Ende vergangener Woche um 4 bis 8 Prozent abgestürzt waren.

„Ob das alles einen Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung des Flugverkehrs haben wird, können wir noch nicht absehen“, sagte eine Sprecherin der Internationalen Weltluftfahrtverbandes IATA zur taz. Erst vor zwei Monaten hatte deren Chef verkündet, dass nun endlich wieder Licht am Ende des Tunnels zu sehen sei – fünf Jahre nach den Anschlägen vom 11. September 2001. Weltweit 400.000 Menschen hatten in den beiden Jahren danach ihre Jobs bei Flughäfen und Fluggesellschaften verloren; insgesamt summierten sich die wirtschaftlichen Verluste in dieser Zeit auf 25 Milliarden Dollar, schätzt die IATA.

In diesem Jahr nun verzeichnete die Branche bislang einen deutlichen Aufwärtstrend: 6,7 Prozent mehr Passagiere als im Vorjahr kauften sich ein Flugticket, und die Auslastung der Maschinen stieg auf über 75 Prozent; nur der Ölpreis trübte bis vor ein paar Tagen das Bild. Ob die positive Entwicklung nun womöglich schon wieder zu Ende ist, lasse sich erst am Jahresende beurteilen, so die IATA-Sprecherin.

Klar ist dagegen: Die wirtschaftlichen Folgen verteilen sich sehr unterschiedlich. Die britischen Behörden mitgeteilt, dass die Bomben in Maschinen von US-Airlines gezündet werden sollten; die drei Firmen müssen jetzt wohl in besonderem Maße mit Stornierungen rechnen. Und während bei British Airways in der vergangenen Woche 1.900 Flüge ausfielen, hat die Lufthansa gerade einmal 30 Flüge abgesagt – das sind etwa so viel wie an einem Schlechtwettertag im November.

Profiteur der Situation ist aber auf jeden Fall die Sicherheitsbranche. Schon jetzt verdient sie weltweit 5,6 Milliarden Dollar an Flughäfen pro Jahr. Das dürfte nun deutlich mehr werden.